Genetik

Genetische Vielfalt: Räumliche Entfernung wirkt auch bei Mikroben

Alte wissenschaftliche Theorie widerlegt

Eine Kolonie stabförmiger Bakterien der Art Myxococcus xanthus, die auf dem Boden einen geordneten Schwarm bilden. Dieses Aggregationsverhalten ist nur während einer bestimmten Phase ihres Lebenszyklus (vor der Fruchtkörperbildung) zu beobachten. © MPI für Entwicklungsbiologie/ Jürgen Berger, Gregory Velicer

Auch bei Mikroben entsteht genetische Diversität durch räumliche Entfernung: Das haben jetzt Tübinger Wissenschaftler in einer neuen Studie herausgefunden, über die sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology berichten. Bei höheren Organismen ist dies schon lange als Tatsache akzeptiert, für Mikroorganismen gab es bislang jedoch andere Vorstellungen.

1934 wurde von dem niederländischen Wissenschaftler Baas Becking in einem Essay zur Bio-Geographie von Mikroben folgende These verfasst: „Alle (alle Mikroben) sind überall, jedoch selektiert die Umgebung“: Der Forscher ging davon aus, dass es für Mikroorganismen keine geographischen Barrieren gibt, die ihre weltweite Verbreitung verhindern könnten. Nur ökologische Bedingungen in einer Nische würden darüber entscheiden, ob ein Mikroorganismus darin überleben kann oder nicht.

Die Wissenschaftler Gregory Velicer und Michiel Vos am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen konnten jetzt jedoch am Beispiel des Bodenbakteriums Myxococcus xanthus zeigen, dass es auch bei Mikroben genetische Diversität abhängig von der räumlichen Entfernung verschiedener Isolate gibt.

Genetische Drift oder lokale Adaption

In ihrer Studie verglichen sie 145 Myxococcus-Isoloate unterschiedlicher Fundorte auf ihre genetischen Unterschiede. Im Visier der Forscher stand dabei der Austausch von einzelnen Basen im genetischen Code (SNPs) der in den Genen clpX, csgA, fibA, icd und sglK auftrat. Dabei stellten sie fest, dass sich mit der räumlichen Entfernung auch die Anzahl der genetischen Unterschiede erhöhte.

Während sich die Diversität der Isolate unter einer Entfernung von 100 Kilometern zufällig verhielt, nahm sie bei weiteren Entfernungen signifikant zu. Nach der Meinung von Velicer, der jetzt an der Universität in Indiana (USA) arbeitet, und Vos von der Universität Oxford ist der signifikante Anstieg der Diversität in größeren Entfernungen entweder durch genetischen Drift oder durch die lokale Adaption an bestimmte Nischen zu erklären.

These von Baars widerlegt

Um diese Hypothese zu untersuchen, konzentrierten sich Vos und Velicer auf das Gen pilA, von dem bereits bekannt ist, dass es adaptive Diversität unter Selektionsdruck in Nischen zeigt. Dieses Gen enthält synonyme pilA-Sites, welche nicht durch Selektionsdruck verändert werden, und nicht-synonyme pilA-Sites, die auf Selektionsdruck mit genetischen Veränderungen reagieren.

Diese Versuche ergaben, dass die Anzahl der genetischen Unterschiede von synonymen und nicht-synonymen pilA-Sites nicht signifikant verschieden waren. Damit scheint die These von Baars zumindest für Myxococus xanthus widerlegt zu sein.

(MPG, 17.03.2008 – DLO)

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