Biologie

„Muttergene“ der Wurzelsymbiosen aufgedeckt

Genrekrutierung und Funktionserweiterungen führten zu modernen Pflanzensymbiosen

Wurzelsymbiose © PNW

Viele Pflanzen leben mit Pilzen oder Bakterien in Symbiose, in einer Lebensgemeinschaft zu beiderseitigem Nutzen. Wie diese Zusammenarbeit im Laufe der Evolution entstanden ist, haben jetzt Wissenschaftler aufgedeckt. Sie entdeckten dabei auch gemeinsame genetische Wurzeln unterschiedlicher Formen der Wurzelsymbiose.

Ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Martin Parniske vom Institut für Genetik der Ludwig- Maximilians-Universität (LMU) München stellte in der Fachzeitschrift „PLoS Biology“ einen wesentlichen genetischen Schritt während der Evolution von Pflanzensymbiosen mit stickstoff-fixierenden Bakterien vor. Bei dieser Symbiose binden Bakterien in den Wurzelzellen der Pflanze den begehrten Stickstoff aus der Luft – und verschaffen ihrem Wirt damit einen bedeutenden ökologischen Vorteil.

In einer weiteren Studie, die zeitgleich in der Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences USA (PNAS)“erscheint, zeigen die Forscher in Zusammenarbeit mit einem französischen Team, dass unterschiedliche Formen der Stickstoff- fixierenden Wurzelsymbiose gemeinsame genetische Elemente aufweisen, also möglicherweise gleichen evolutiven Ursprungs sind.

Uralte Symbioseform als genetische „Mutter“

Die so genannte Arbuskuläre Mykorrhiza ist eine weltweit vorkommende Symbiose zwischen höheren Pflanzen und Pilzen aus der Gruppe der Glomeromycota. Die uralte Assoziationsform ist vermutlich vor über 400 Millionen Jahren entstanden und wird heute von rund 80 Prozent aller Landpflanzen betrieben. In der Symbiose nimmt der Pilz über ein umfangreiches Bodenmyzel aus fadenförmigen Zellen, den Hyphen, gelöste Nährstoffe und Mineralien, insbesondere Phosphate, auf und macht diese der Wirtspflanze zugänglich.

„Diese uralte Symbioseform ist für viele Pflanzen von zentraler oder sogar überlebensnotwendiger Bedeutung“, sagt Parniske. „Vom evolutionären Standpunkt aus ist interessant, dass der entwicklungsgeschichtlich alten Arbuskulären Mykorrhiza eine Art ‚genetische Mutterrolle‘ für eine weiter, deutlich jüngere Form der Wurzelsymbiose, die Wurzelknöllchensymbiose, zugeschrieben wird.“ Viele Hülsenfrüchte nutzen die Wurzelknöllchensymbiose und gehören zu der kleinen Gruppe von Pflanzen, die ihre bakteriellen Partner ins Innere der Pflanzenzelle aufnehmen können. Dies wiederum ermöglicht, ähnlich wie bei der ebenfalls intrazellulären Arbuskulären Mykorrhiza, einen besonders engen Kontakt und effizienten Stoffaustausch zwischen Wirt und Gast.

Funktionserweiterung führte zur intrazellulären Symbiose

Welche genetischen Veränderungen jedoch die Entstehung dieser besonderen Art der Symbiose ermöglichten, war bislang unklar. Es wird seit längerem vermutet, dass eine Rekrutierung von Genen der Arbuskulären Mykorrhiza einen wesentlichen Schritt darstellt, um deren konserviertes pflanzliches Programm auch für intrazelluläre Symbiosen mit Bakterien nutzbar zu machen. Ein wichtiger Hinweis hierauf ist, dass mehrere Gene einem gemeinsamen genetischen Programm angehören, das AM und die stickstofffixierende Wurzelknöllchensymbiose verbindet.

Ein Beispiel dafür ist das so genannte „Symbiose-Rezeptor-Kinase“-Gen, kurz SYMRK. „Wir konnten jetzt zeigen, dass SYMRK in verschiedenen Pflanzenlinien eine strukturelle und funktionelle Diversifizierung aufweist, die unter bekannten Symbiosegenen einmalig ist“, berichtet Parniske. „Unsere Befunde legen offen, dass eine Funktionserweiterung von SYMRK einen wichtigen Schritt in der Evolution intrazellulärer Knöllchensymbiosen darstellte.“

Gemeinsamer Ursprung wahrscheinlich

Eine längere Variante von SYMRK könnte einer Rekrutierung von AM-Genen für bakterielle Knöllchensymbiosen zugrunde liegen, weil sie einen entsprechend erweiterten Funktionsumfang besitzt und in allen betroffenen Pflanzengruppen zu finden ist. Dazu gehören die Leguminosen, aber auch die so genannten Aktinorhizapflanzen wie Erle und Sanddorn, die mit Frankia-Bakterien Symbiosen eingehen. „Insgesamt weisen die Erkenntnisse beider Studien auf einen gemeinsamen evolutionären Ursprung intrazellulärer Wurzelsymbiosen mit stickstofffixierenden Bakterien hin“, so Parniske. „Unsere Arbeit bietet jetzt wesentliche Einblicke in die genetische und evolutive Grundlage dieser hochentwickelten Symbiosen.“

Erkenntnisse wichtig für Biotechnologie

Dabei sind die genetischen Unterschiede zwischen Leguminosen und nicht stickstofffixierenden Pflanzen auch von großem biotechnologischen Interesse. In natürlichen Systemen ist diese Art des Zusammenlebens auf wenige Wirtsgruppen beschränkt – die dann aber erheblich davon profitieren.

Dies ist auch eine ökonomisch sehr wünschenswerte Eigenschaft, da die Produktion von Stickstoffdünger in erheblichem Umfang Energie und damit fossile Brennstoffe verbraucht. Noch sind Untersuchungen nötig, um weitere genetische Besonderheiten knöllchenbildender Pflanzen aufzuklären. Eines Tages könnte es dann möglich sein, die Knöllchensymbiose auch auf andere Pflanzen zu übertragen – etwa Getreide oder andere wichtige Pflanzen der Weltwirtschaft.

(Universität München, 05.03.2008 – NPO)

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