Eine der wichtigsten Kräfte in der Biologie konnte bisher nicht zufriedenstellend erklärt werden: die so genannte hydrophobe oder wasserabstoßende Anziehung. Sie sorgt beispielsweise dafür, dass sich Proteine in der korrekten Weise falten. Mithilfe einer Art molekularem Tauziehen zwischen einem Raster-Kraft-Mikroskop und einer Diamantoberfläche haben Wissenschaftler jetzt den Mechanismus geklärt und berichten darüber in der Fachzeitschrift „Proceedings oft the National Academy of Sciences“ (PNAS).
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Ob in Mayonnaise, vielen Cremes oder einer Salatsauce – viele Fette und Öle, aber auch andere ungeladene Moleküle, lösen sich nicht in Wasser, sondern bilden Tropfen oder Klumpen. Der Grund ist die so genannte hydrophobe Wechselwirkung. Sie sorgt dafür, dass sich solche Moleküle nicht mit den Wassermolekülen verbinden, sondern sich gegenseitig anziehen. Für die Biologie ist dieser Effekt von zentraler Bedeutung, etwa bei der Proteinfaltung und dem Zusammenhalt von großen Proteinmolekülen. Bislang allerdings konnte Forscher den Mechanismus hinter diesem Verhalten nicht genau aufklären.
Eine Ursache dafür sind die bislang untersuchten Modellsysteme. Viele Wissenschaftler betrachteten etwa zwei einander auf wenige Nanometer angenäherte schwach gekrümmte hydrophobe Oberflächen. Die Messungen mit diesem so genannten „Surface- Force Apparatus“ werden aber durch die Bildung von Luftblasen zwischen den Oberflächen gestört, so dass die eigentliche hydrophobe Kraft
nicht bestimmt werden kann. Auch für Simulations-Studien ist diese Geometrie ungeeignet, da das Wasser zwischen den Oberflächen relativ träge ist und der Gleichgewichtszustand nur sehr langsam erreicht wird.
Tauziehen mit Peptid und Mikroskop
Um das Problem zu lösen, konzipierten Wissenschaftler um Dominik Horinek an der Technischen Universität München (TUM), in Zusammenarbeit ein neuartiges Modellsystem. Die Wissenschaftler befestigten dafür einen einzelnen Eiweiss-Bautein, ein Peptid, mittels einer kovalenten Bindung an der Spitze eines Rasterkraftmikroskops (AFM). Das verwendete Peptid-Molekül ist ein Hauptbestandteil der Spinnenseide. Die auf diese Weise präparierte Spitze wurde so weit an eine extrem glatte hydrophobe Diamant-Oberfläche angenähert, bis die Peptid-Kette mit der Oberfläche in Kontakt trat. Die Spitze wurde dann langsam nach oben gezogen und gleichzeitig die dabei aufgewendete Kraft gemessen.
Es zeigte sich, dass die Peptid-Kette durch den Zug zunächst auf der Oberfläche entlang gleitet, bis sie sich komplett von ihr löst, also desorbiert. Aus über 200 dieser Messungen ermittelten die Forscher eine mittlere Desorptionskraft von 58 Pico-Newton. Dieser Wert stimmt gut mit der Kraft von 54 Pico- Newton überein, die sich für das Modellsystem aus molekular- dynamischen Simulationen ergibt. „Dies ist nach unserem Wissen die erste quantitative Untersuchung der hydrophoben Wechselwirkung, die eine Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie zeigt“, erklärt Netz.
Entschlüsselung beendet Diskussion
Dank dieser Bestätigung der theoretischen Simulation konnten die Wissenschaftler auch den grundlegende Mechanismus der Wechselwirkung entschlüsseln. Überraschend wurde deutlich, dass die Anziehungs-Kräfte zwischen der Oberfläche und der Peptid-Kette genauso stark sind wie die Lösungskräfte aufgrund der gestörten Molekül-Struktur des Wassers in der Nähe von Peptid und Oberfläche.
„Damit ist eine unter Experten lange geführte Diskussion beendet“, so Netz. „Keine der beiden Kräfte dominiert. In einem synergetischen Zusammenspiel bestimmen beide Teilbeiträge gleichermaßen die resultierende hydrophobe Anziehung.“ Mit diesem neuartigen Messprinzip soll in Zukunft die Wechselwirkung verschiedenster Peptid-Moleküle mit unterschiedlichen Oberflächen untersucht und damit die Vorhersage von Protein-Strukturen und Eigenschaften verbessert werden.
Die aktuelle Arbeit fand im Rahmen des Exzellenzclusters „Nanosystems Initiative Munich (NIM)“ statt, das sich zum Ziel gesetzt hat, funktionale Nanostrukturen für Anwendungen in der Medizin und in der
Informationsverarbeitung zu entwickeln und zu erforschen.
(Technische Universität München, 03.03.2008 – NPO)