Ein wenig mutet es an wie ein Bild aus einem Science Fiction Film: in einer gut geschützten Berghöhle in Longyearbyen auf der norwegischen Insel Spitzbergen, inmitten des Arktischen Ozeans, entsteht derzeit die weltgrößte Lagerstätte für Kulturpflanzensamen. 120 Meter tief im Permafrost-Fels werden dort künftig in einer Art riesigem Tresor bis zu 4,5 Millionen Duplikate von Saatgutmustern aller weltweit verfügbaren Nutzpflanzenarten bei minus 18 Grad Celsius sicher aufbewahrt. Die Genbank der Superlative ist heute feierlich eröffnet worden.
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Hauptziel der norwegischen Initiative ist eine möglichst vollständige Erhaltung der wichtigsten Nutzpflanzenarten wie Reis, Mais, Weizen, Kartoffeln, Äpfel, Maniok, Wasserbrotwurzel oder Kokosnuss und deren riesiger Sortenvielfalt. Vorrang haben jedoch vor allem seltene Kultursorten, die die Nahrungsmittelsicherheit in Entwicklungs- und Schwellenländern gewährleisten sollen.
Spitzbergen gehört zur Inselgruppe Svalbard und liegt mit je etwa 1.000 Kilometer Entfernung zwischen dem norwegischen Festland und dem Nordpol. Dank seiner isolierten Lage in einem wirtschaftlich und politisch stabilen Land bietet es dem weltweiten Kulturpflanzenbestand die benötigte dauerhafte Sicherheit vor Gefahren wie Naturkatastrophen, Klimawandel, Epidemien oder Kriegen.
Errichtet wird das Lager von der norwegischen Regierung in Kooperation mit der Nordic Gene Bank (Nordgen) sowie dem Global Crop Diversity Trust. Sie wird unter anderem auch von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt. Zur weiteren Finanzierung will der Trust insgesamt 260 Millionen US-Dollar einwerben, um durch die Zinseinnahmen eine nachhaltige Finanzierung des so genannten Seed Vaults sicher zu stellen. Viele Länder wie Deutschland, Schweden, USA, die Schweiz oder England haben bereits hohe Summen eingezahlt.
Samenmuster für Svalbard
Auch das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gatersleben beteiligt sich an diesem Projekt und wird im Verlauf der nächsten Jahre Duplikate aller seiner annähernd 150.000 Genbank-Muster in Svalbard einlagern. Schon vor vier Jahren begann das IPK deshalb mit der Herstellung von Sicherungsduplikaten. Zur Eröffnung des Seed Vaults wurden jetzt 2.589 vakuum-verpackte Samenmuster nach Svalbard verschickt. Bislang standen dem IPK für Sicherungskopien des Saatgutbestands die Genbank-Außenstellen in Groß Lüsewitz und Malchow/Poel (Mecklenburg-Vorpommern) zur Verfügung. Zunächst wird das IPK vorrangig Saatgut verschiedener Leguminosen und Getreidearten auf Spitzbergen einlagern, wobei die Schwerpunkte auf Bohnen und Gerste liegen. Ende April 2008 folgt die nächste Sendung mit etwa 7.500 Mustern. Danach wird die Sicherungsalternative im Zweijahresrhythmus sukzessive ausgebaut.
„Das IPK nimmt das Angebot des Svalbard Global Seed Trust gerne an“, sagt der Leiter der Genbank und Direktor des IPK Professor Andreas Graner. „Der Erhalt und Schutz der genetischen Vielfalt unserer Kulturpflanzen ist ein wichtiger Beitrag für zukünftige Generationen gerade im Hinblick auf diejenigen Länder, in denen Nahrungsmittelsicherheit und landwirtschaftliche Entwicklung am meisten benötigt werden. Wir müssen uns vor potentiellen Verlusten der Biodiversität, hervorgerufen durch Faktoren wie Klimaveränderung oder neuen Pflanzenkrankheiten schützen.“ Auch vor dem Hintergrund des steigenden Nahrungsbedarfs einer wachsenden Weltbevölkerung sei der Erhalt des weltweiten Kulturpflanzenbestandes enorm wichtig.
Signal für die Öffentlichkeit
Neben der zusätzlichen Saatgutsicherheit der eigenen Genbank setzt die norwegische Initiative aber auch ein Signal für die Öffentlichkeit: so soll das Seed Vault ein Bewusstsein schaffen für den Nutzen und die Notwendigkeit einer langfristigen Finanzierung solcher Einrichtungen.
Ein Ersatz für die eigene Genbank des IPK ist das Seed Vault jedoch nicht. Die Duplikate auf Spitzbergen sind eine reine, zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Das gesamte Genbank-Material am IPK muss nach einer kritischen Lagerdauer von durchschnittlich 20 Jahren regelmäßig vermehrt werden, da das Saatgut seine Keimfähigkeit auch tiefgekühlt irgendwann verliert. Etwa fünf Prozent der Sammlung – das entspricht 7.500 Saatgutmustern – werden jedes Jahr erneut gesät und geerntet.
(Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), 26.02.2008 – DLO)