Die Gefahr durch neue oder neu auftretende Infektionskrankheiten ist steil angestiegen: Belege dafür und eine erste Weltkarte solcher „emerging diseases“ hat ein internationales Forschungsteam jetzt in „Nature“ veröffentlicht. Ein besonders großes Risiko sind dabei von Tieren übertragene Krankheiten in ärmeren Ländern.
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Infektionskrankheiten durch Erreger, die neue Gebiete erobert haben oder neu vom Tier auf den Menschen übergegangen sind, werden in der Fachsprache als „emerging diseases“ bezeichnet. Zu ihnen gehört unter andere der tödliche Ebolavirus, aber auch HIV und SARS. Viele dieser Epidemien entstehen dadurch, dass Menschen sich in zuvor unbewohnte Gebiete ausbreiten und dabei in engen Kontakt mit Wildtieren kommen. Andere gehen auf Mutationen bisher harmloser oder gut bekämpfbarer Erreger zurück.
„Hot Spots“ in Afrika, Indien und China
Wo eine solche Infektion als nächstes auftaucht, war bisher nicht vorhersagbar – auch nach drei Jahrzehnten intensiver Forschung nicht. Die neue Studie hat nun endlich mehr Erkenntnisse darüber gebracht. Forscher aus vier Institutionen unter Leitung des Earth Institute der Columbia Universität analysierten dafür 335 Ausbrüche von neuauftretenden Infektionskrankheiten im Zeitraum von 1949 bis 2004. Dabei zeigte sich, dass die Häufigkeit von „emerging diseases“ sich in den letzen 50 Jahren vervierfacht hat.
Die errechneten Daten wandelten die Wissenschaftler anschließend in Karten um, die Korrelationen mit der Populationsdichte, Populationsveränderungen, Breitengrad, Niederschlägen und Artenvielfalt der wildlebenden Tierwelt aufzeigten. Daraus ging hervor, dass rund 60 Prozent der Ausbrüche auf so genannte Zoonosen, Übertragungen von Tieren auf Menschen, zurückgehen. „Hot Spots” solcher Infektionen liegen in Afrika südlich der Sahara, Indien und China, kleinere Häufungen erscheinen jedoch auch in Europa, Süd- und Nordamerika.
Wild lebende Säugetiere als Hauptquelle
Hauptquelle der Zoonosen sind Säugetiere, von denen die Tierviren oder -bakterien entweder direkt auf den Menschen übergehen, oder aber über den Umweg der Haustiere. Da der Mensch keine Resistenz gegen diese für ihn neuen Erreger entwickelt hat, enden diese Infektionen sehr oft tödlich.
„Wir verdrängen die Wildtiere in immer kleinere Gebiete und die menschliche Bevölkerung wächst”, erklärt Marc Levy, Experte für globale Veränderungen am Center for International Earth Science Information Network (CIESIN). „Das Zusammentreffen dieser beiden Faktoren ist ein Rezept dafür, dass etwas überspringt.“
Je mehr wildlebende Arten es in einem Gebiet gibt, desto mehr Erregervarianten können sie auch beherbergen, so die Forscher. Nach Ansicht von Kate E. Jones, Evolutionsbiologin und Hauptautorin der Studie, bestätigen die Ergebnisse, wie dringend die Ausbreitung des Menschen in bisher unberührte Gebiete mit hoher Artenvielfalt verhindert werden muss: „Es zeigt sich, dass Naturschutz auch ein wichtiges Mittel sein könnte, um neue Infektionskrankheiten zu vermeiden.“
Mutierte Keime werden resistent
Aber nicht alle neu auftretenden Infektionskrankheiten sind Zoonosen. Rund 20 Prozent von ihnen gehen stattdessen auf mutierte, multiresistente Keime zurück, die sich vor allem in den Industrieländern zunehmend ausbreiten. Die unüberlegte Einnahme von Antibiotika, aber auch die zentralisierte Nahrungsproduktion hat, so die Meinung von Peter Daszak, Infektionsbiologe des Wildlife Trust, zur Entwicklung dieser Erregervarianten beigetragen. „Krankheit kann auch ein Preis der Entwicklung sein“, so der Forscher.
Ein Höhepunkt im Auftreten neuer Infektionen waren die 1980er Jahre. Die Aids-Epidemie hat in dieser Zeit auch anderen Krankheiten die Ausbreitung erleichtert, vermuten die Wissenschaftler. Aber auch in den 1990ern gab es ein Peak in den Ausbrüchen. Hier waren es vor allem die von Insekten übertragenen Infektionen, die dank der Klimaerwärmung gute Bedingungen vorfanden.
Maßnahmen gehen bisher am Ziel vorbei
Welche Konsequenzen lassen sich aus diesen Ergebnissen ziehen? Nach Ansicht der Wissenschaftler auf jeden Fall einige: „Die Ressourcen für die öffentliche Gesundheit sind falsch verteilt”, erklärt Daszak. „Die meisten konzentrieren sich auf die reicheren Länder, die sich eine Überwachung leisten können, aber die meisten Hot Spots liegen in den Entwicklungsländern. Wenn wir uns die folgenschwersten Krankheiten der Zukunft anschauen, gehen unsere Maßnahmen am Ziel vorbei.“
Um das Risiko zu reduzieren, müssten auch die Industrienationen ihre Technologien und Ressourcen stärker auf die Hot Spots konzentrieren um das Risiko zu reduzieren. „Wir müssen anfangen, die Erreger zu finden, bevor sie ausbrechen“, so Daszak.
(Columbia University, 21.02.2008 – DLO)