Mithilfe eines maßgeschneiderten Mess-Rucksacks haben Wissenschaftler „fliegende Lemuren“ beim Gleiten beobachtet. Sie konnten dabei erstmals genau feststellen, wie die in Malaysia heimischen und bisher kaum untersuchten Colugos ihren Flug beim Starten und Landen verändern. Die nun in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society B” veröffentlichten Ergebnisse könnte auch bei der Entwicklung von technischen Flugobjekten hilfreich sein.
Colugos ähneln im Prinzip fliegenden Rieseneichhörnchen, sind aber eher eine Art entfernter Vettern der Primaten. Die 30 bis 40 Zentimeter großen Tiere gehören zu den größten gleitenden Säugern überhaupt – ausgestreckt ist ihre zwischen Vorder- und Hinterbeinen aufgespannte Flughaut so groß wie eine Fußmatte. „Obwohl die Malayischen Colugos in ihrem natürlichen Lebensraum relativ häufig sind, sind sie bisher kaum untersucht”, erklärt Andrew Spence, Biomechaniker am Royal Veterinary College in London. Es ist schwer Dinge über ein Tier herauszufinden, dass sich nachts herumbewegt, in 30 Metern Höhe auf Bäumen lebt und innerhalb von zehn Sekunden 100 Meter weit gleiten kann.”
Mini-Rucksack mit Sensoren
Gemeinsam mit seinen Kollegen Greg Byrnes von der Universität von Kalifornien und Norman Lim von der Universität von Singapur entwickelte er eine Methode, um dieses Problem zu lösen. Sie kombinierten winzige mikroelektronische Sensoren wie beispielsweise die Beschleunigungssensoren aus Fahrzeug-Airbags und dem Nintendo Wii Steuergerät mit Speicherelementen und konstruierten daraus kleine „Rucksäcke“, die an den Tieren befestigt werden konnten um ihre Bewegungen aufzuzeichnen.
Den Forschern gelang es, einige Tiere einzufangen und ihnen den Mini-Rucksack mithilfe von chirurgischem Kleber an einem kleinen frei rasierten Hautbereich am Rücken zu befestigen. Die winzigen Messinstrumente behinderten die rund zwei Kilogramm schweren Tiere weder beim Klettern noch beim Gleiten, sammelten aber wertvolle Daten. Nach einigen Tagen zersetzte sich der Kleber, der Rucksack fiel zu Boden und konnte wieder geborgen werden.
Gleithaut als Bremsfallschirm
Anhand der gesammelten Daten zeigte sich, dass die Colugos die Aerodynamik ihres Fluges beeinflussen können und vor allem bei der Landung gezielt ihre Gleitverhalten ändern, um Verletzungen vorzubeugen. Während sie normalerweise in einem gleichmäßigen Tempo gleiten, führen sie kurz vor der Landung ein sehr präzises Manöver durch, das ihre Geschwindigkeit reduziert und sie gleichzeitig so zum Boden hin ausrichtet, dass sie mit allen vier Beinen landen können.
Dauert der Gleitflug länger als zwei Sekunden, nutzen die Colugos ihre Gleitsegel wie einen Bremsfallschirm, um den Aufprall zu dämpfen. Ein solches Verhalten wurde zuvor aufgrund der aerodynamischen Bedingungen angenommen, aber noch nie im Freiland an den Tieren beobachtet.
„Unsere Sensor-Rucksäcke haben uns einen Einblick in das Verhalten dieser faszinierenden Kreaturen gegeben“, erklärt Spence. „In Zukunft können wie diese neue Technologie auch für andere schwer erreichbare und unerforschte Tiere nutzen.“ Die Studie erweitert nicht nur das Wissen um die Biomechanik des tierischen Gleitfluges, sie könnte auch dazu beitragen, das Design von flexiblen Tragflächen für künstliche Mikrogleiter und ähnliche Flugobjekte zu verbessern.
(Royal Veterinary College London, 11.02.2008 – NPO)