Das Universum dehnt sich heute schneller aus als in der kosmischen Vergangenheit – aber warum? Noch ist offen, ob dabei die geheimnisvolle dunkle Energie eine Rolle spielt. Eine neue, jetzt in „Nature“ vorgestellte astronomische Bestandsaufnahme könnten den Astronomen endlich die dringend gesuchten Antworten liefern.
Vor zehn Jahren machten Astronomen die erstaunliche Entdeckung, dass sich das Universum heute sehr viel schneller ausdehnt als in der Vergangenheit. „Das deutet darauf hin, dass eine von zwei sehr unterschiedlichen Möglichkeiten dahinter stehen könnten“, erklärt Enzo Branchini, Astronom und Mitglied des Forschungsteams der Europäischen Südsternwarte (ESO). „Entweder ist das Universum von einer mysteriösen dunklen Energie erfüllt, die eine abstoßende Kraft erzeugt, die der bremsenden Anziehungskraft der Materie entgegenwirkt. Oder aber unsere aktuelle Theorie der Gravitation ist nicht korrekt und muss modifiziert werden, beispielsweise indem dem Raum zusätzliche Dimensionen hinzugefügt werden müssen.“
Dunkle Energie oder falsche Gravitationsgesetze?
Bisherige Beobachtungen der Expansionsrate konnten zwischen diesen beiden Möglichkeiten nicht unterscheiden. Jetzt aber hat ein internationales Team von 51 Wissenschaftlern aus 24 verschiedenen Forschungseinrichtungen einen Weg entdeckt, der bei diesem Problem helfen könnte. Ihre Technik basiert auf der Tatsache, dass die scheinbare Bewegung entfernter Galaxien aus zwei Effekten resultiert: Der globalen Expansion des Kosmos, die sie auseinanderzieht und der gegenseitigen Anziehung, die zur Zusammenballung von Galaxienclustern führt.
„Indem sie die scheinbare Geschwindigkeit von großen Galaxien-Stichproben über die letzten 30 Jahre hinweg gemessen haben, konnten Astronomen eine dreidimensionale Karte der Galaxienverteilung für einen großen Teil des Universum erstellen“, so der Astronom Olivier Le Fèvre. „Diese Karte enthüllt großräumige Strukturen wie Galaxiencluster und filamentartige Supercluster, aber die gemessenen Geschwindigkeiten beinhalten auch Informationen über die lokalen Bewegungen der Galaxien und zeigen hier kleine aber signifikante Verzerrungen in den rekonstruierten Himmelskarten.“
Verzerrungen als Schlüssel
Und genau diese Verzerrungen liefern, wie das Forscherteam herausfand, einen Schlüssel zur Erforschung der dunklen Energie, wenn gemessen wird, wie sie sich in verschiedenen Epochen der kosmischen Geschichte entwickelt haben. Die Wissenschaftler maßen diesen Effekt mithilfe des Spektrographen VIMOS an einem der 8,2 Meter Teleskope des Very Large Telescope der ESO auf dem Paranal in Chile. Sie verglichen die Spektren von mehreren tausend Galaxien in einem Bereich von vier Grad – das entspricht der Fläche von 20 Vollmonden aneinandergelegt. Damit hatten sie einen Überblick über die Verzerrungen aus etwa sieben Milliarden Jahren.
„Das ist das größte Feld, dass jemals mittels Spektroskopie einheitlich abgedeckt worden ist“, so Le Fèvre. „Wir haben jetzt mehr als 13.000 Spektren in diesem Feld gesammelt und decken damit 25 Millionen Kubiklichtjahre ab.“ Die Astronomen verglichen diese Daten anschließend mit einer Bestandsaufnahme des lokalen Universums, quasi der Region vor unserer Haustür, da diese den gegenwärtigen Zustand der Verzerrung angibt.
Ausdehnung der Methode soll Antworten liefern
Noch sind die Unsicherheiten der Daten allerdings zu groß, um eindeutig eine der zwei möglichen Erklärungen zu widerlegen oder zu bestätigen. Die Methode aber könnte nach Ansicht der Astronomen in Zukunft diese Unsicherheiten überwinden. „Wir haben gezeigt, dass wenn wir unsere Messungen um das Zehnfache an Volumen erhöhen, diese Technik uns verraten könnte, ob die kosmische Beschleunigung von einer dunklen Energie exotischen Ursprungs herrührt oder eine Berichtigung der Gesetze der Gravitation erfordert“, so Guzzo.
„Zu klären, warum die Ausdehnung des Universums sich zurzeit beschleunigt, ist sicher die faszinierendste Frage der modernen Kosmologie“, erklärt Luigi Guzzo, Hauptautor der Studie. „Wir konnten zeigen, dass große Bestandsaufnahmen, die die Positionen und Geschwindigkeiten von entfernten Galaxien messen, uns einen neuen, kraftvollen Weg liefern um dieses Rätsel zu lösen.“
(ESO, 31.01.2008 – NPO)