Die bis zu 4.000 Meter mächtige Eisdecke der Antarktis ist das größte Eisreservoir der Erde. Doch nun sorgt die Klimaerwärmung dafür, dass selbst im „Gefrierschrank“ unseres Planeten das Eis zu tauen beginnt. Zwar sind die Eismassen im Osten des Kontinents weitgehend stabil, die Westantarktis jedoch schmilzt in den letzten zehn Jahren schneller als je zuvor. Diesen alarmierenden Trend bestätigt nun eine in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie.
{1l}
Jonathan Bamber, Professor an der Universität Bristol und seine Kollegen ermittelten den Abfluss des Eises von den Gletschern in das Südpolarmeer für die letzten zehn Jahre. Dafür werteten sie Satellitendaten der Eisdecke von rund 85 Prozent der Küstenlinie des Kontinents aus und verglichen diese Daten mit Simulationen der Schneeansammlung über die gleiche Zeitperiode. Die Daten wurden in ein regionales Klimamodell eingepflegt und ausgewertet.
Eisverlust rapide beschleunigt
Das Ergebnis war alarmierend: In der Westantarktis sind allein im Jahr 2006 rund 132 Milliarden Tonnen Eis verloren gegangen, davon 60 Milliarden Tonnen nur von der Westantarktischen Halbinsel. Diese Menge zeigt auch, dass sich das Schmelzen der antarktischen Gletscher damit in den letzten zehn Jahren deutlich beschleunigt hat. Im Jahr 19996 lag der Eisverlust der Westantarktis bei nur 83 Milliarden Tonnen. „Um diese Zahlen in eine Perspektive zu bringen: Vier Milliarden Tonnen Eis reichen aus, um die gesamte Bevölkerung Großbritanniens ein Jahr lang mit Trinkwasser zu versorgen“, erklärt Bamber.
Doch nicht allein das schiere Ausmaß des Eisverlusts ist neu, die Ergebnisse widersprechen auch deutlich bisherigen Modellen und Prognosen, nach denen die Eisbilanz der Antarktis insgesamt trotz Klimawandel auch in Zukunft eher positiv bleiben soll. Die Modelle gingen davon aus, dass die Klimaveränderungen insbesondere im Inneren und im Osten des antarktischen Kontinents zu mehr Schneefall und damit zu einem Anwachsen des Eissschilds führen werden.
Eisverlust nagt an Gesamtbilanz
Die neuen Daten zeigen, dass in den letzten Jahren die Gesamtbilanz des antarktischen Eissschilds immer stärker in die „roten Zahlen“ rutscht: Insgesamt hat sich auch der Eisverlust des gesamten antarktischen Schildes in den letzten zehn Jahren um 75 Prozent beschleunigt. Im Osten gleicht der Schneefall zwar die Verluste noch weitgehend aus, doch der Eisschwund im Westen ist so rapide, dass dieser kaum mehr ausgeglichen werden kann. Und selbst im bisher scheinbar unberührten Osten haben die Küstengletscher ebenfalls bereits ihren Abfluss stark erhöht.
Nach Ansicht der Autoren weisen diese Ergebnisse auch darauf hin, dass die Eisentwicklung des antarktischen Schildes weitaus komplexer ist, als es die Massenbilanz der Oberfläche oder die Klimamodelle allein beschreiben können. Veränderungen in der Gletscherdynamik könnten, so die Forscher, in Zukunft die eisige Bilanz des Kontinents noch viel stärker als bisher dominieren und prägen. In jedem Fall habe der Eisverlust bereits begonnen.
(University of Bristol, 15.01.2008 – NPO)