Wie lange hält das Eis der Polgebiete der Klimaerwärmung noch stand – diese bange Frage drängt sich angesichts der schmelzenden Gletscher auf. Doch in „Science” haben Wissenschaftler jetzt belegt, dass es nicht unbedingt zum „Super-Gau“ kommen muss. Denn überraschenderweise existierte sogar im extrem warmen Treibhausklima der Kreidezeit, vor 91 Millionen Jahren, noch eine Eiskappe halb so groß wie die heutige Antarktis.
Die Kreidezeit gilt als eine der „Super-Warmzeiten“ in der Erdgeschichte. Hohe Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre bescherten fast dem gesamten Globus ein mildes, tropisches Klima, in dem unter anderem die Dinosaurier bestens gediehen. Die Temperatur in den Meeren lag mit 35 bis 37 Grad Celsius um ganze zehn Grad höher als heute. Bisher ging die gängige Lehrmeinung davon aus, dass während dieser Zeit auch die polaren Gletscher und Eiskappen vollkommen abgeschmolzen waren.
Einzellerschalen als „Messwerkzeuge“
Doch eine neue Studie eines internationalen Forscherteams widerspricht nun dieser Annahme. Parallel mit zwei verschiedenen Techniken untersuchten die Forscher kreidezeitliche Tiefseesedimente aus dem westlichen tropischen Atlantischen Ozean, die im Rahmen des internationalen Ocean Drilling Program (ODP/IODP) erbohrt wurden.
Diese außergewöhnlichen Sedimente enthalten gut erhaltene kalkschalige Mikrofossilien, so genannte Foraminiferen, die sowohl am Ozeanboden als auch im Oberflächenwasser lebten. Das Verhältnis der Sauerstoffisotope 18O und 16O (d18O) in den Kalkschalen dieser EInzellerrelikte spiegelt die Zusammensetzung des Meerwassers wider.
Bei der ersten Methode schlossen die Forscher aus der Zusammensetzung der Sauerstoffisotope in den Foraminiferen auf die Menge des in Eisschilden gebundenen Wassers und Sauerstoffs und damit indirekt auf das Vorhandensein und die mögliche Größe dieser Eiskappen. Sauerstoff-Isotope in Foraminiferenschalen können aber auch durch Schwankungen im Salzgehalt beeinflusst werden. Um diese konkurrierenden Prozesse besser unterscheiden zu können wurde eine zweite, unabhängige Methode zur Oberflächenwassertemperaturbestimmung. Diese beruht auf der Analyse organischer Komponenten in den Sedimenten, die im Kreideozean von primitiven Einzellern, den Archaeen, produziert wurden. Eine Kombination dieser beiden Methoden erlaubt es die Größe der Eismasse abzuschätzen.
Eiskappe halb so groß wie die Antarktis
Aus diesen Werten ergab sich, dass selbst des kreidezeitlichen Wärmemaximums, eine Eiskappe existiert haben muss. Nach Schätzungen der Wissenschaftler war sie sogar gut halb so groß wie das Eisschild über der heutigen Antarktis und bestand für mindestens 200.000 Jahre. Diese Daten stimmen gut mit denen anderer Studien aus Russland und New Jersey überein, die ein Sinken des Meeresspiegels während dieser Zeitperiode feststellten. Da beim Anwachsen von Eisschilden mehr Wasser im Eis gebunden wird, sinkt dabei der Meeresspiegel ab, umgekehrt steigt er, wenn Wasser durch Abschmelzen des Eises freigesetzt wird, wie zurzeit der Fall.
Ort und Entstehungsursache noch unbekannt
„Bis jetzt war es generell akzeptiert, dass es an den Polen keine großen Gletscher vor der Bildung des antarktischen Eisschilds vor 33 Millionen Jahren gegeben hat“, erklärt Richard Norris, Professor für Paläobiologie am Scripps Institut of Oceanography der Universität von Kalifornien in San Diego und Mitautor der Studie. „Diese Studie demonstriert, dass selbst das extrem warme Klima des kreidezeitlichen Maximums nicht ausreichte, um das Eiswachstum zu verhindern.“
Noch wissen die Forscher allerdings weder, wo sich diese große kreidezeitliche Eismasse damals befunden hat, noch, wie sie entstand. Ihrer Ansicht nach könnten natürliche Klimavariationen, die periodisch unnormal kühle Sommer hervorriefen, die Entstehung solcher Eisschilde ermöglicht haben.
Die wahrscheinlichste Region hierfür stellt die Antarktis dar, welche schon damals am Südpol lag und möglicherweise schon in der Kreidezeit Gebirgszüge besessen hat, die hoch genug waren um weiträumig Schnee und Eis zu akkumulieren. Die Vergletscherung ausgedehnter Festlandsregionen während der Kreidezeit war jedoch sicherlich eher die Ausnahme als die Regel, wie das episodische Auftreten von Reptilien und subtropischen Pflanzen in den hohen Breiten belegt.
(University of California – San Diego, Universität Leipzig, 14.01.2008 – NPO)