Übung macht den Meister – nach diesem Motto gilt die häufige Wiederholung oft als die beste Methode, um etwas zu lernen. Umso erstaunter waren amerikanische Neurowissenschaftler daher, als sie in Experimenten feststellten, dass auf der Ebene einzelner Synapsen, den Verbindungen zwischen den Nervenzellen, eine häufige Wiederholung zunächst eher negative Effekte zu haben schien. In der Fachzeitschrift „Science“ berichten sie nun über den Mechanismus hinter diesem scheinbar paradoxen Effekt.
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Vorherige Studien der Neurowissenschaftlerin Alison Barth von der Carnegie Mellon Universität hatten bereits gezeigt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Veränderbarkeit der Synapsen und dem Lernen und Gedächtnis. Nach gängiger Lehrmeinung stärkt wiederholtes Üben einer Tätigkeit oder Aufgabe bestimmte synaptische Verbindungen und verbessert damit das spätere Wiederaufrufen dieser Leistung. Welcher Mechanismus allerdings das langfristige Lernen durch Wiederholungen ermöglicht, war bisher weitgehend ungeklärt.
Dr. Jekyll und Mr. Hyde
Barth und ihr Team haben jetzt entdeckt, dass ein Rezeptor für die Substanz N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) für dieses Lernen zwischen einer „guten“ und einer „bösen“ Rolle wechselt, ähnlich einer Art „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Denn anfangs fördert der Rezeptor die Synapsenverbindung, nach einer bestimmten Zeit aber kehrt sich die Wirkung um und die Rezeptoren beginnen, die Synapsen zu schwächen und schienen damit sogar weiteres Lernen zu hemmen. Doch genau dieser Effekt lässt sich in der Praxis nicht beobachten. Stattdessen profitiert das Gedächtnis auch später noch von häufigen Wiederholungen.
„Wir wissen intuitiv, dass wir besser werden, je mehr wir etwas üben“, erklärt Barth. „Also musste es etwas geben, das auch nachdem die NMDA-Rezeptoren ihre Funktion umschalteten, die Synapsen weiterhin stärkten.“ Aber was? Um das herauszufinden, konzentrierte sich die Forscherin auf die Hirnrinde, den Bereich, in dem vor allem das langsamere, aber langanhaltendere Lernen stattfindet. Sie stellte fest, dass dabei tatsächlich deutlich andere molekulare Prozesse ablaufen als in den Hirnregionen, die für das schnelle, kurzfristige Lernen zuständig sind wie der Hippocampus.
Um der Sache näher auf den Grund zu gehen, blockierte Barth in einer Reihe von Experimenten systematisch verschiedene Rezeptoren im Gehirn, darunter auch den NMDA-Rezeptor und beobachtete den Effekt auf das Langzeitlernen. Sie nutzte dafür transgene Mäuse, bei denen gezielt die Gene für einzelne Rezeptoren deaktiviert oder aktiviert waren.
Ein zweiter Rezeptor mischt mit
Dabei zeigte sich Überraschendes: Zwar war der NMDA-Rezeptor für den Beginn der Synapsenstärkung und damit das erfolgreiche Lernen entscheidend, doch nach dieser Anfangsphase kam ein zweiter Rezeptor ins Spiel. Dieser so genannte metabotropische Glutamat Rezeptor (mGlu) gleicht offenbar in der späteren Lernphase die schwächende Wirkung des NMDA-Rezeptors aus und übernimmt die Stärkung der Synapsenverbindung.
„Die neuralen Mechanismen des Lernens und Gedächtnisses sind bisher nur wenig verstanden“, so Barth. „Dadurch, dass wir das Zusammenspiel von NMDA- und mGlu-Rezeptoren aufgedeckt haben, können wir nun besser verstehen, wie wir lernen. Vielleicht könnte uns das sogar eines Tages helfen, die Krankheiten besser zu verstehen, bei denen Lernen und Gedächtnis verlorengehen, wie beispielsweise Alzheimer.“
(Carnegie Mellon University, 08.01.2008 – NPO)