Physik

Einsteins Zeitdehnung mit weltweit höchster Genauigkeit gemessen

Tempo von Lithium-Ionen bei Geschwindigkeiten bis zu 20.000 Kilometern pro Sekunde ermittelt

Farbstofflaser (orange) mit Pumplaser (grün) © Sascha Reinhardt, Sergei Karpuk, Christian Novotny, Guido Saathoff

Die Zeitdehnung ist einer der faszinierendsten Aspekte der speziellen Relativitätstheorie Einsteins, weil er die Vorstellung einer absolut gültigen Zeit abschafft: Uhren in bewegtem Zustand ticken langsamer. Im Experiment konnte die Zeitdehnung zum ersten Mal von Ives und Stilwell 1938 mithilfe des Dopplereffekts beobachtet werden. Nun ist es Physikern gelungen, die Zeitdehnung mit bisher nicht erreichter Genauigkeit zu messen.

Sie verwendeten dazu einen Ansatz, der die Speicherung und Kühlung von Lithium-Ionen und die Messung ihrer optischen Frequenzen mit einem Frequenzkamm verbindet. „Die Erforschung der Zeitdehnung ist nicht nur für die Grundlagenphysik von Bedeutung, sondern hat für die satellitengestützte Positionsbestimmung mit GPS und viele andere Anwendungen in der Kommunikationstechnologie eine ganz praktische Funktion“, erklärt Professor Gerhard Huber von der Universität Mainz dazu. Er berichtet zusammen mit Wissenschaftlern aus Heidelberg, Garching und Winnipeg über das Experiment im Wissenschaftsmagazin Nature Physics online.

Seit ihrer Einführung 1905 bildet die spezielle Relativitätstheorie Albert Einsteins die Grundlage für alle Beschreibungen physikalischer Vorgänge. Ein wesentliches Prinzip dieser Theorie besagt, dass die Lichtgeschwindigkeit immer konstant bleibt, unabhängig davon, ob sich ein Beobachter mit eigener Geschwindigkeit bewegt oder nicht.

Messung 100.000 Mal genauer

Allerdings ist die Zeit in diesem Konzept nun nicht mehr konstant, sondern in einem bewegten System wie beispielsweise einer Rakete im Weltall verlangsamt. Diese Zeitdilatation oder Zeitdehnung wurde 1938 erstmals gemessen und mit einer Genauigkeit von einem Prozent bestimmt. Die jetzt von Nature Physics publizierte Arbeit ist gegenüber dieser ersten Messung 100.000 Mal genauer. „Das ist eine spektakuläre Genauigkeit, die allerdings auch notwendig ist, wenn wir die Grundlagen der Physik, also das Standardmodell testen wollen“, so Huber.

Zwei Laser regen an

Darstellung des Lasersystems © Sascha Reinhardt, Sergei Karpuk, Christian Novotny, Guido Saathoff

Der Mainzer Atomphysiker hat vor etwa 20 Jahren zusammen mit Professor Dirk Schwalm vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg (MPIK) diese Forschungsarbeit am damals neu installierten Speicherring TSR des MPIK begonnen. Dabei werden Lithium-Ionen bei relativistischen Geschwindigkeiten – das sind bis zu sechs Prozent der Lichtgeschwindigkeit oder bis zu 20.000 Kilometer pro Sekunde – als feiner Strahl gespeichert und mit Lasern auf ihren optischen Resonanzen angeregt. Diese sehr scharfen Resonanzen funktionieren wie Atomuhren, die sich mit den Ionen bewegen.

Die Laseranregung geschieht mit zwei Lasern, die dem Ionenstrahl hinterher und entgegen geschickt werden. Wenn beide Laser dieselben Ionen anregen, können die Eigenzeit dieser Uhren und zugleich deren Geschwindigkeit im Speicherring genau gemessen werden. Einzig mit der Kenntnis der optischen Frequenzen kann der Faktor der Zeitdehnung, der zugleich die Massenzunahme beschreibt, aus den Experimenten bestimmt werden und mit dem bekannten Wert in der speziellen Relativitätstheorie Einsteins verglichen werden. Die genaue Frequenzmessung geschah in Garching bei München mit einem optischen Frequenzkamm in Zusammenarbeit mit dem Team um Professor Theodor Hänsch, der 2005 für die Entwicklung dieses bahnbrechenden Verfahrens mit dem Nobelpreis geehrt wurde.

Spezielle Relativitätstheorie bestätigt

„Innerhalb einer Messgenauigkeit von eins zu zehn Millionen konnte am TSR Speicherring in Heidelberg die spezielle Relativitätstheorie bestätigt werden“, fasst Huber zusammen. Die Messung reiht sich damit in die Serie der Überprüfung des so genannten Standardmodells der Physik ein, das die Elementarteilchen und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte beschreibt, und die auch den Test der Lorentz-Invarianz, also der Gültigkeit der speziellen Relativität, einschließt. „Allerdings reicht die bislang erreichte Genauigkeit nicht, um bereits Abweichungen zu erkennen.“

Die Mitarbeiter aus Mainz, Sergei Karpuk und Christian Novotny, arbeiten nun an einem Experiment bei deutlich höheren Geschwindigkeiten, die bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt mit dem Speicherring ESR erreicht werden können. In ersten Tests kamen die Ionen hier auf bis zu 34 Prozent der Lichtgeschwindigkeit.

(idw – Universität Mainz, 23.11.2007 – DLO)

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