Medizin

Warum Placebos funktionieren

Positive Erwartung und Lerneffekt sorgen für Wirksamkeit

Placebos – Scheinmedikamente ohne wirksame Inhaltsstoffe – wirken trotzdem bei bis zu einem Drittel aller Patienten. Den Grund dafür haben Schmerzforscher nun herausgefunden: Es ist eine Kombination von positiver Erwartungshaltung und Lerneffekt.

{1l}

Dass Placebos wirken, ist unbestritten. Aber was ist das Geheimnis ihres Erfolges? Ist es die Erwartungshaltung allein oder ein Lerneffekt? Eine Mischung aus beidem ist am wirksamsten, fanden die Hamburger Forscherin Regine Klinger in Kooperation mit den Berliner Forscherinnen Professor Margitta Worm und Stephanie Soost heraus. Die Erwartung genügte zwar, damit eine wirkstofffreie Salbe Schmerzen linderte, doch erst ein zusätzlicher Lerneffekt machte die Placebowirkung erst dauerhaft.

Für ihre Studie wurden die Wissenschaftler beim Deutschen Schmerzkongress in Berlin mit dem mit 3.500 Euro dotierten zweiten Preis der Kategorie Klinische Forschung des Förderpreises für Schmerzforschung 2007 ausgezeichnet. Der Preis wird jährlich vergeben von der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V..

Wirkstofffreie Salbe als Schmerzmittel

96 Probanden nahmen an der Studie teil, in der, wie sie glaubten, ein neuer schmerzlindernder Wirkstoff in Salbenform getestet werden sollte. Alle Testpersonen bekamen zunächst ohne Salbe eine Reihe schmerzhafter Stromreize via Elektrode auf den Arm. Dann wurde bei allen Probanden eine wirkstofffreie Salbe aufgetragen, wobei der Hälfte der Teilnehmer vorher erklärt wurde, es handle sich um ein Schmerzmittel. Es folgte eine weitere Reihe schmerzhafter Reize, die genauso stark war wie die vorherige.

In einer zweiten Studienphase wurde dann der Ablauf der ersten Phase wiederholt, jeweils der Hälfte beider Probandengruppen wurden bei der zweiten Reizserie jedoch nur halb so starke Stromimpulse verabreicht wie zuvor. Dadurch wurden sie

konditioniert: Die Salbe, egal ob als neutral oder wirksam präsentiert, wurde mit einer tatsächlichen Schmerzlinderung verbunden.

In einer dritten Phase erhielten alle Teilnehmer wieder zwei gleich starke Schmerzreize, einmal vor und einmal nach Auftragen der Salbe, um den Konditionierungseffekt zu erheben.

Erwartung und Konditionierung spielen zusammen

Es zeigte sich, dass die Erwartung allein schon einen signifikanten Placeboeffekt hervorrief. Aber auch die Testpersonen, denen die Salbe als neutral angekündigt worden war, zeigten einen Placeboeffekt, wenn sie in der zweiten Studienphase konditioniert worden waren. Den deutlichsten und am längsten anhaltenden Placeboeffekt zeigten die Probanden, die sich mit einem Schmerzmittel behandelt wähnten und konditioniert worden waren.

„Der Placeboeffekt kann also sowohl über die Erwartung als auch die Konditionierung vermittelt werden“, folgert Klinger. „Die Interaktion zwischen Erwartung und Konditionierung spielt für seine Aufrechterhaltung eine bedeutende Rolle.“ Für die Praxis heißt das, dass die rein pharmakologische Wirkung eines Schmerzmittels durch eine Erwartungshaltung noch gesteigert werden kann. Dieser zusätzliche Effekt lässt sich aufrechterhalten, wenn das Schmerzmittel tatsächlich wirkt.

(Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V., 26.10.2007 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Schmerz - Alarmstufe Rot im Nervensystem

Bücher zum Thema

Heilwissen versunkener Kulturen - Im Bann der grünen Götter von Gisela Graichen

Schmerz - Eine Kulturgeschichte von David Le Breton

Bittere Pillen - Nutzen und Risiken der Arzneimittel

Top-Clicks der Woche