Hormonelle Störungen während der Embryonalentwicklung scheinen dazu beizutragen, dass ein Mensch transsexuell geboren wird. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Männer verspüren offenbar eher den Wunsch als Frau zu leben, wenn sie als Kinder im Mutterleib einem niedrigen Spiegel männlicher Geschlechtshormone ausgesetzt waren.
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Etwa einer von 12.000 Männern wünscht sich, eine Frau zu sein – obwohl sein biologisches Geschlecht männlich ist. Bei Frauen ist Transsexualität seltener, etwa eine von 30.000 biologischen Frauen wäre gerne ein Mann. Sich mit dem eigenen biologischen Geschlecht nicht identifizieren zu können, belastet die Betroffenen: „Der Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, ist meist sehr stark ausgeprägt, häufig kompromisslos“, erläutert Professor Dr. med. Günter Karl Stalla, Beirat der Sektion Neuroendokrinologie der DGE aus München. Viele Betroffene würden berichten, dass sie schon als Kind das Gefühl hatten, im falschen Geschlecht zu leben. Mitunter versuchten sie, ihr biologisches Geschlecht nach außen zu verbergen: „Schlimmstenfalls kommt es zu Selbstverstümmelungen, Depressionen oder Suizidversuchen“, so Stalla.
Fingerlänge als Indiz
Für die Wissenschaft ist Transsexualität vor allem deshalb rätselhaft, weil sich Transsexuelle genetisch, hormonell und anatomisch eindeutig einem Geschlecht zuordnen lassen – jedoch nicht dem, mit dem sie leben wollen. Der Neuroendokrinologe Stalla und seine Mitarbeiter überprüften die Hypothese, dass Hormonstörungen für Transsexualität mitverantwortlich sind. Dazu bestimmten sie bei mehr als 100 Transsexuellen das Verhältnis der Länge von Zeige- zu Ringfinger. Denn dieser Wert ist umso höher, je weniger männliche Geschlechsthormone – so genannte Androgene – während der vorgeburtlichen Entwicklung auf ein Kind einwirken.
„Das Ergebnis liefert für Mann-zu-Frau-Transsexuelle eine biologische Erklärung für die Entstehung der Transsexualität“, erläutert Stalla: Bei ihnen fanden die Forscher einen höheren Verhältniswert als bei Männern, die sich auch als solche fühlen. Ihre Fingerlänge entsprach in etwa der von heterosexuellen Frauen. Dementsprechend waren die Mann-zu-Frau-Transsexuellen im Mutterleib geringeren Mengen Androgen ausgesetzt als der Durchschnitt. „Wir müssen weiter an den Ursachen forschen, um besser auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen zu können und besser in der Lage zu sein, sie therapeutisch zu unterstützen.“ Es gäbe zwar derzeit hormonelle Therapien zur Geschlechtsumwandlung, allerdings „sind viele Hilfen pragmatisch entwickelt worden und verbesserungsfähig“, so der Experte.
(Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 08.10.2007 – NPO)