Kaum entdeckt, stirbt er auch schon wieder aus: der europäische Land-Blutegel Xerobdella lecomtei. Da er als einziger unter den Egeln im feuchten Boden und nicht an Seen oder Flüssen lebt, trifft ihn die Klimaerwärmung und damit verbundene Trockenheit besonders stark. Wie Forscher jetzt in der Fachzeitschrfit „Naturwissenschaften“ berichten, ist die einzige bekannte Population des Egels nahe dem österreichischen Graz so gut wie verschwunden.
Im Jahr 1868 wurde eine neue Land-Blutegelart in Österreich im feuchten Boden eines Bergs entdeckt, weit entfernt von jedem Süßwassersee oder Fluss. Bei diesem ungewöhnlichen Ringelwurm handelte es sich um den europäischen Landegel X. lecomtei. Zwischen 2001 und 2005 konnten Evolutionsbiologen um Ulrich Kutschera von der Universität Kassel und der Universität Graz jedoch nur noch ein lebendes Jungexemplar der Xerobdella in den Birkenwäldern um Graz in Österreich auffinden, was darauf schließen lässt, dass diese Spezies heute weitgehend ausgestorben ist.
Dieser Blutegel wurde von Kutscheras Team untersucht und seine Morphologie und Fressverhalten beschrieben. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine einzige Veröffentlichung über die Biologie der Xerobdella. Nach dem Tod des Wurms entnahmen die Wissenschaftler mitochondriale DNA. Ihre Analyse ergab, dass es sich bei X. lecomtei nicht, wie bislang vermutet, um ein Mitglied der tropischen Landegel (Familie Haemadipsidae) handelt, sondern möglicherweise um eine verwandte Art der amphibisch-terrestrischen Haemopidae/Hirudinidae, die kühlere klimatische Verhältnisse bevorzugt.
Aus Klima-Daten lässt sich ein durchschnittlicher Anstieg der Sommertemperatur in der betreffenden Gegend um mehr als 3 °C zwischen 1961 und 2004 ablesen. Nach Ansicht der Forscher spiegelt der beobachtete Rückgang in der Population der einheimischen Landegel den Temperaturanstieg wider. Denn die Erwärmung zog einen drastischen Rückgang der Bodenfeuchtigkeit nach sich, und verschlechterte damit die Lebensbedingungen für X. lecomtei.
Diese Erkenntnisse deuten daraufhin, dass der Einfluss des Menschen auf die Umwelt subtiler sein kann als bisher angenommen. Die Autoren schlussfolgern, dass „die vom Menschen verursachte Erwärmung, auch ohne offensichtliche Zerstörung des Lebensraums, zu bedenklichen Änderungen der Biodiversität und zum Rückgang und Aussterben an Kälte angepasste Arten führen kann.“
(Springer Science & Business Communications, 06.09.2007 – NPO)