Neurobiologie

Forscher „schocken“ Gehirn

Magnet-Impulse sollen Teamwork der Hirn-Regionen offenlegen

Blau gegen rot dargestellt sind die veränderten Hirnaktivitäten auf der rechten Seite des Gehirns beim "Uhren-Test" im MRT. © Jürgen Baudewig

Um das „Gehirn beim Denken“ zu beobachten, reicht Wissenschaftlern mittlerweile die moderne funktionelle Magnetresonanz-Tomographie (fMRT) längst nicht mehr aus. Sie „schocken“ es zusätzlich mit Magnet-Impulsen durch die Schädeldecke, während die Versuchspersonen in der MRT-Röhre liegen. Die Forscher hoffen so wichtige neue Erkenntnisse über die Funktionsweise unseres „Oberstübchens“ zu erhalten – beispielsweise beim Verarbeiten räumlicher Seh-Eindrücke.

Die gut platzierten, kurzen Magnet-Impulse durch den Schädel – transkraniale Magnetstimulation (TMS) – unterbrechen, so die Göttinger Forscher, kurzzeitig und räumlich begrenzt die Aktivität des betroffenen Gehirn-Bereiches. Ist die Versuchsperson in der MRT-Röhre gerade dabei, einen Seh-Eindruck zu verarbeiten, kann ein gezielter Magnet-Impuls auf das Sehzentrum die Auswertung der Bild-Information verzögern.

Medizinisches Hilfsmittel oder magnetische Kanone?

Lösen die Versuchspersonen eine Aufgabe langsamer, wird deutlich, dass eine wichtige Hirnregion getroffen wurde. In Versuchsreihen können die Forscher so erfahren, welche Hirn-Regionen in welcher Reihenfolge an welchem Denkprozess aktiv beteiligt sind. Die fMRT-Bilder zeigen zusätzlich, welche weiteren Hirnregionen „zusehen, aber nicht mitarbeiten“.

Der Magnetresonanz-Tomograph (MRT) in der Forschergruppe MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie im Universitätsklinikum Göttingen. © Dechent

Weltweit nutzen nur drei Labore die Kombination von funktioneller Magnetresonanz-Tomographie und transkranialer Magnetstimulation. „Auch wir hatten enormen Respekt vor den technischen Anforderungen. Die Magnet-Kräfte addieren sich. Wir wussten nicht: bauen wir eine magnetische Kanone?“, sagt Dr. Jürgen Baudewig, Leiter des Forschungsprojektes an der Universitätsmedizin Göttingen. Baudewig testete das System deshalb zuerst an sich selbst. Es ging gut. Für die freiwilligen Teilnehmer ist das Verfahren ebenfalls unbedenklich und ohne Nebenwirkungen.

Uhren-Test liefert neue Erkenntnisse

Erstmals hat das Team um Baudewig die fMRT- und die TMS-Methode jetzt in einem Forschungsprojekt kombiniert. Die Ergebnisse des „Uhren-Tests“ sind im März 2007 in der Internet-Version der Zeitschrift „Cerebral Cortex“ erschienen. Testpersonen in der MRT-Röhre sahen für einen kurzen Moment das Bild einer Uhr. Je nachdem, in welchem Winkel die Uhrzeiger zueinander standen, sollten die Testpersonen einen von zwei Knöpfen drücken. Zusätzlich gaben die Wissenschaftler kurz nach dem Bild einen Magnet-Impuls auf eine Hirnregion, die, beidseitig unter der Schädeldecke, für die räumliche Koordination zuständig ist (parietaler Cortex).

Bei Magnet-Impulsen auf die linke Seite des Schädels waren die Testpersonen genauso schnell am richtigen Knopf wie ohne Impuls. Wurde aber der parietale Cortex auf der rechten Seite „beim Denken gestört“, drückten die Textpersonen den richtigen Knopf erst mit kurzer Verzögerung. „Offenbar ist nur der rechte parietale Cortex an der räumlichen Koordinations-Aufgabe beteiligt. Die linke Seite sieht nur zu. Diese Erkenntnis hätten wir mit der funktionellen Magnetresonanz- Tomographie allein nicht gewinnen können“, sagt Baudewig.

Ausfälle nachstellen

Für die Zukunft hoffen die Forscher durch die Kombination von fMRT und TMS auf grundlegende Erkenntnisse über die Funktion des Gehirns. „Interessant ist beispielsweise, warum manche Menschen auf einer Seite ihres Gesichtsfeldes nichts sehen, obwohl Augen, Nervenbahnen und Gehirn intakt scheinen. Mit der fMRT-Technik allein lässt sich das nicht beantworten“, sagt Baudewig. Weiterhin hoffen die Forscher, Ausfälle bestimmter Hirnregionen, die durch Unfälle oder Krankheit entstanden sind, „nachzustellen“. Durch „scheinbare Schädigungen“ – virtuelle Läsionen – des Gehirns gesunder Versuchspersonen könnte man mit Hilfe der fMRT und TMS-Technik diese Krankheiten simulieren und somit ihre Ursachen und Auswirkungen untersuchen.

(idw – Universitätsmedizin Göttingen, 09.08.2007 – DLO)

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