Pflanzenviren sind für Menschen ungefährlich, in Pflanzenbaubetrieben aber sind sie gefürchtete Schädlinge. Zukünftig könnten sich die Schädlinge jedoch als überaus nützlich erweisen. Denn Wissenschaftler haben jetzt die filigrane Röhrchenstruktur der Tabakmosaikviren (TMV) erfolgreich als Gussform für Nanodrähte und –röhren genutzt.
Virus mit Metallüberzug
Die Forscher an der Universität Stuttgart in Kooperation mit Max-Planck-Instituten, der Universität Ulm und dem Forschungszentrum Karlsruhe setzten für ihre Nanokonstruktionen eine ähnliche Technik ein, wie die, mit der früher Silberspiegel hergestellt wurden: die so genannte stromlose Abscheidung. Dabei werden die als Gussform eingesetzten Viren so mit Edelmetall- und anschließend mit Kobalt- oder Nickelsalzen behandelt, dass sich entweder die Virenaußenhülle oder das Innere der Röhre mit einer feinen Metallschicht überzieht.
Die so entstehenden Kobalt- und Nickeldrähte sind nur circa zehn Atome breit, aber bis zu 0,5 Mikrometer lang. Ähnlich lang gestreckte und gleichförmige Kleinstobjekte sind in der Natur äußerst selten und auch technisch nur mit hohem Aufwand herstellbar. Anwendungen in der Mikrochiptechnik und Nanotechnologie gäbe es viele: Die mittels der Viren auf vergleichsweise einfachem Wege erzeugten Nanostrukturen könnten sich beispielsweise zur Verdrahtung von Mikrochips einsetzen lassen.
„Nanohanteln“ als Verbindungsteile
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an Prüfverfahren, mit denen verschiedene „Virusdraht“-Typen auf Leitfähigkeit und Magnetismus getestet werden können, um erste Anwendungen in der Nanoelektronik zu erproben. Voraussetzung ist jedoch dabei, dass die winzigen Drähte mit anderen Bauteilen verbunden werden können.
Zur Herstellung solcher Kontakte gelang den Forschern kürzlich ein entscheidender Schritt: Sie erzeugten aus den Virusstäbchen Nanohanteln, indem sie Goldkörner an beide Enden banden und diese durch Metallabscheidung vergrößerten. Damit stehen nun ausreichend große Kontaktflächen zur Verfügung, über die auch Messgeräte angeschlossen werden können.
Nächster Schritt: Virenproteine als Templates
Um Produkte mit anderen Materialeigenschaften und Röhrchen-Felder zu erhalten, die zum Beispiel als Biosensor oder Nano-Schaltmodul dienen könnten, „züchten“ die Virologen Professor Holger Jeske und Christina Wege am Biologischen Institut der Universität Stuttgart derzeit im Labor Virus-Derivate mit veränderten Oberflächen und Längen. Als besonders vielversprechend gelten zudem freie Virusproteine, die mit wenig Aufwand in Flüssigkulturen von Hefezellen gewonnen werden. Diese sollen dann direkt auf technische Substrate wie Silizium-Wafer und Glas-Chips zu Röhren unterschiedlicher Längen polymerisiert werden. So könnten neuartige elektronische Nanobausteine mit technisch interessanten Eigenschaften entstehen.
(Universität Stuttgart, 12.07.2007 – NPO)