Woher kamen die rätselhaften, in der Gegend der heutigen Toskana siedelnden Etrusker? Die Antwort auf diese lange diskutierte Frage könnte jetzt ein Genetiker gefunden haben. Er entdeckte Hinweise darauf, dass die Etrusker vor mehr als 3.000 Jahren aus der südlichen Türkei nach Italien einwanderten.
Die Blütezeit der Etrusker erstreckte sich von 1200 vor Christus bis 100 nach Christus. Während dieser Periode etablierte sich die bis heute in vielen Aspekten rätselhafte Hochkultur in der Toskana, besonders im Gebiet um Volterra und im Casentino, und beeinflusst auch die Entwicklung der römischen Zivilisation. Aber woher kamen die Etrusker? Brachten Einwanderer aus Nordeuropa diese Kultur mit? Waren sie schon immer in der Region ansässig und entwickelten ihren Eigenweg aus Überresten der Eisenzeit, wie es der griechische Historiker Dionysius of Halicarnassus glaubte? Oder waren es Einwanderer aus dem alten Lydia, einen Gebiet in der heutigen Südtürkei, wie es der griechische Geschichtsschreiber Herodot um 450 v.Chr. vermutete?
DNA-Vergleich als Werkzeug
Mithilfe der Methoden der modernen Gentechnik haben jetzt Forscher um Professor Alberto Piazza von der Universität von Turin die Herkunftsfrage der Etrusker möglicherweise ein für alle Mal beantwortet. Die Wissenschaftler analysierten genetische Proben von drei heutigen Populationen von Italienern, die in den Orten Murlo und Volterra, sowie im Tal des Casentino leben. Die DNA-Proben stammten dabei jeweils von gesunden erwachsenen Männern.
„Wir wussten bereits, dass die Menschen, die in diesen Gebieten leben, sich genetisch von denen in umliegenden Regionen unterschieden“, erklärt Piazza. „Murlo und Volterra gehören zu den bedeutendsten Fundorten etruskischer Relikte und sind zudem dafür bekannt, in örtlichen Dialekten und Ortsnamen Reste der etruskischen Sprache erhalten zu haben. Das Casentino gehört ebenfalls zu den Gebieten, in denen etruskische Einflüsse teilweise erhalten sind.“ Die Wissenschaftlerergänzten diese ersten Proben mit weiteren DNA-Proben aus Norditalien, dem südlichen Balkan, der Insel Lemnos in Griechenland und aus Sizilien und Sardinien und verglichen diese mit DNA aus der Türkei, Süditalien, Nord- und Mitteleuropa und dem Mittleren Osten.
Genetische Übereinstimmungen geben Herodot recht
„Wir stellten fest, dass die DNA-Proben der Individuen aus Murlo und Volterra am enger mit denen der nahöstlichen Populationen verwandt war als mit den anderen italienischen DNA-Proben“, erklärt Piazza. „Vor allem in Murlo trat eine genetische Variante auf, die nur von Menschen in der Türkei geteilt wurde. Gleichzeitig zeigen die toskanischen Proben auch die größte Ähnlichkeit mit denen von der Insel Lemnos.“
Dieses Ergebnisse entsprechen denen einer Vergleichsuntersuchung der ausschließlich über die weibliche Linie vererbten mitochondrialen DNA (mtDNA). Auch bei der Analyse des Genmaterials alter Rinderrassen hatten sich zuvor bereits Ähnlichkeiten zwischen den toskanischen und nahöstlichen Rassen gezeigt. Nach Ansicht der Forscher könnte dies die Theorie von Herodot bestätigen. Dieser berichtet, dass der König der Etrusker die Hälfte seines Volkes wegen einer großen Hungersnot in der Region Lydia ausschickte, nach einem besseren Leben woanders zu suchen. Sie segelten von Smyrna, dem heutigen Izmir, los und ereichten die italienische Küste in Umbrien.
„Wir glauben, dass unsere Forschungen beweisen, dass Herodot recht hatte und dass die Etrusker tatsächlich aus Lydia kamen“, so Piazza. „Um allerdings hundertprozentig sicher zu sein, wollen wir weitere Orte in der Toskana testen und auch prüfen, ob es eine genetische Kontinuität zwischen den alten Etruskern und den modernen Toskanern gibt.“ Dafür wollen die Wissenschaftler DNA aus fossilen Knochen extrahieren und analysieren.
(European Society of Human Genetics, 19.06.2007 – NPO)