Forscher haben die Evolution im Labor nachgeahmt und gezeigt, wie Krankheitskeime die Artenbarriere überwinden und so neue Opfer finden. Durch kleine molekulare Änderungen an einem Bakterien-Protein wurden Mäuse dabei anfällig für einen Erreger, der sonst nur Menschen infiziert.
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Das Bakterium Listeria monocytogenes löst beim Menschen Darminfektionen und Hirnhautentzündungen aus. Für Mäuse ist es jedoch völlig harmlos. Verantwortlich für den Unterschied ist das bakterielle Protein Internalin (InlA), ein molekularer Schlüssel, mit dem sich das Bakterium Zutritt zu Zellen der menschlichen Darmschleimhaut verschafft. In Mäusen passt der InlA-Schlüssel allerdings nicht. Sie werden daher nicht infiziert. Die Folgen für die medizinische Forschung: Neue Medikamente können nicht an Mäusen getestet werden.
Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig ist es durch eine geringfügige Veränderung des InlA gelungen, das Bakterium an die Maus anzupassen. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher jetzt in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals „Cell“.
Nichts ist beständiger als der Wandel
In der Natur verändern sich Krankheitserreger ständig. „Die meisten neuen Infektionskrankheiten, wie die Pest im Mittelalter oder die moderne Vogelgrippe, haben ihren Ursprung darin, dass Erreger, die zuvor ausschließlich Tiere befallen haben, plötzlich auf den Menschen überspringen“, erklärt Dr. Wolf-Dieter Schubert vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
„Man spricht von einer Änderung der Wirtsspezifität. Die Übertragung des Influenza-Virus H5N1 vom Vogel auf den Menschen hat in diesem Zusammenhang in den letzen Jahren nicht nur große Ängste in der Bevölkerung hervorgerufen, sonder auch enorme wirtschaftliche Schäden verursacht.“ Ähnlich ist es beim HIV, Auslöser der Immunschwäche AIDS, das durch eine kleine molekulare Änderung vom Affen auf den Menschen übertragen wurde.
„Wir haben dieses Durchbrechen der Artenbarriere im Labor simuliert – jedoch in umgekehrter Richtung, und zwar vom Menschen auf das Tier“, erklärt Thomas Wollert. „Das war möglich, weil wir die dreidimensionale Struktur des InlA im Detail untersucht und verstanden haben.“
Austausch von zwei Aminosäuren reicht
Bei der Listerien-Infektion heftet sich das Bakterium zunächst mit Hilfe des InlA an die Oberfläche der menschlichen Darmschleimhaut an. Dabei erkennt InlA punktgenau sein Zielmolekül E-Cadherin auf der Oberfläche der Darm-Zellen. Ein ähnliches E-Cadherin findet sich auch im Darm der Maus – jedoch in leicht abgewandelter Form.
Die Folge: „InlA erkennt das E-Cadherin des Menschen, aber nicht das der Maus“, sagt Wollert. „Tauschen wir nur zwei der 764 Aminosäure-Bausteine des InlA aus, bindet es nicht nur wesentlich fester an das menschliche E-Cadherin, sondern erkennt zusätzlich auch das E-Cadherin der Maus.“ Ein solcher Austausch von Bausteinen passiert in der Natur häufig spontan.
„Wenn wir das Prinzip der Wirtsspezifität besser verstehen“, hofft Schubert, „lassen sich vielleicht Vorhersagen treffen, in welchen Fällen die Gefahr einer plötzlichen Übertragung auf den Menschen besonders groß ist.“
(idw – Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 05.06.2007 – DLO)