Ob die Folgen der Klimakatastrophe und des globalen Wandels abgewendet werden können, hängt vor allem von der Entwicklung in den wachsenden urbanen Ballungsräumen der Welt ab. Das ist das Fazit des aktuellen „Berichts zur Lage der Welt 2007“ des Washingtoner Worldwatch-Institutes.
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Die deutsche Ausgabe des „Berichts zur Lage der Welt 2007“ wurde gestern in Berlin vorgestellt. Der Report analysiert den globalen Trend zur Urbanisierung und dessen Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Er präsentiert in einzelnen Fallbeispielen aus allen Kontinenten lokale Lösungsansätze für globale Herausforderungen wie Klimawandel, Energiepolitik oder Armutsbekämpfung. Mitherausgeber der deutschen Ausgabe sind die Heinrich-Böll-Stiftung und Germanwatch.
Urbanisierung als Chance und Risiko zugleich
Die ungebremste Tendenz zur Urbanisierung sei Bedrohung und Chance zugleich, so der Bericht, den Molly O’Meara Sheehan für das Washingtoner Worldwatch Institute vorstellte. So hätten mittlerweile zahlreiche Großstädte weltweit die Folgen des Klimawandels auf ihre politische Agenda gesetzt, da sie selbst direkt von den Auswirkungen bedroht seien.
Von den 33 Städten mit projektierten acht Millionen Bewohnern im Jahr
2015 seien 21 aufgrund ihrer Küstenlage von einem Anstieg des Meeresspiegels infolge des Klimawandels bedroht. Auch in den USA haben inzwischen 300 Städte das sogenannte „U.S. Mayors‘ Climate Protection Agreement” unterzeichnet, in dem sich die beteiligten Kommunen zu einer Reduzierung der klimarelevanten Emissionen verpflichten und für eine überzeugende US-Klimapolitik einsetzen.
Globaler Austausch nötig
„In den nächsten zehn bis 15 Jahren entscheidet sich, ob wir die schlimmsten Auswirkungen noch verhindern können. Städte – und ganz besonders die wachsenden Megacities des Südens – werden von diesen Folgen am stärksten betroffen sein“, erklärte Bärbel Dieckmann, Bonner Oberbürgermeisterin und Vorsitzende des Weltbürgermeisterrates zum Klimawandel. „Aber sie haben auch ein einmaliges Potenzial, die Probleme anzugehen und zu lösen. ‚Local action, global interaction‘ ist die Formel: Maßnahmen vor Ort, internationaler Erfahrungsaustausch und politischer Einfluß auf die globale Politik.“ Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg, unterstrich: „Experten sprechen seit neuestem von einem ‚Millennium der Städte‘.
Niemals zuvor hat sich die Welt so sehr verändert wie durch die Verstädterung der letzten 200 Jahre und die individuelle Mobilität durch das Auto in den letzten 100 Jahren“, so Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg. „Je größer die Städte werden und je mehr Menschen weltweit in ihnen leben, desto größer werden auch die globalen Belastungen, die von ihnen ausgehen: Klimaveränderungen, Verkehrsinfarkt, Flächenverbrauch, der Umgang mit Wasser, soziale Verschiebungen in der Bevölkerung. Das bedeutet: Die Verantwortung der Städte für globale Entwicklungen wird immer größer.“
Wenn die Städte die Wende zur Nachhaltigkeit nicht schaffen, dann schaffe es niemand, so Salomon. Klimaschutz stehe an erster Stelle der Agenda. Im Weltbürgermeisterrat zum Klimawandel, beim internationalen Städtenetzwerk für Nachhaltigkeit ICLEI, im Rat der Gemeinden und Regionen Europas (REGE) oder bei Eurocities – Städte müssten sich gegenseitig stärken und ihr positives Gewicht für Klimaschutz in die Waagschale werfen.
Verantwortlich für 80 Prozent des Ressourcenverbrauchs
„Weltweit gibt es mehr als 500.000 Kommunen. Sie bedecken zwar nur zwei Prozent der Erdoberfläche, verbrauchen aber mehr als 80 Prozent aller Ressourcen“, ergänzt Gunther Hilliges, Mitautor der deutschen Ausgabe und langjähriges Vorstandsmitglied von Germanwatch. „Ihre Einbeziehung in den Globalisierungsprozess muss durch die Staaten systematisch gefördert werden. Probleme und positive Möglichkeiten liegen eng und noch unerkannt beieinander.“
Der aktuelle Bericht des Worldwatch Institutes befasst sich mit lokalen Lösungsansätzen für globale umwelt- und sozialpolitische Herausforderungen und skizziert Strategien für kommunale Entscheidungsträger: In mehreren Kapiteln werden zu unterschiedlichen Herausforderungen wie Wasserversorgung, Transport, Energie und Klima oder lokaler Wirtschafspolitik konkrete Beispiele für gelungene Stadtentwicklung aus so unterschiedlichen Städten wie Timbuktu, Lagos, Melbourne, Freetown, Rhizao oder Brno vorgestellt.
(Heinrich-Böll-Stiftung und Germanwatch, 04.05.2007 – NPO)