Astronomie

Rätsel galaktischer „Geisterarme“ gelöst

Teilchenströme erzeugen Pseudo-Arme in der Spiralgalaxie M106

Spiralgalaxie M106: rot-blau die "Geisterarme" im Röntgen- und Radiobereich © NASA/CXC/Univ. of Maryland/ A.S. Wilson et al.

Astronomen haben jetzt das 45 Jahre alte Rätsel der „Geisterarme“ in der Spiralgalaxie M106 gelöst. Ursache der beiden nur im Röntgen- und Radiobereich sichtbaren zusätzlichen Arme dieser Galaxie sind offenbar zwei Teilchenströme eines Schwarzen Lochs. Sie hinterlassen eine Art „Schatten“ aus heißen, leuchtenden Gasen.

M106, auch als NGC 4258 bezeichnet, ist eine 23,5 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernte Spiralgalaxie. In Aufnahmen des sichtbaren Lichts trägt ihr hell-leuchtender Kern zwei prominente Seitenarme, die von jungen hellen Sternen dominiert werden. „Aber in Radio- und Röntgenaufnahmen erscheinen zwei weitere Arme zwischen den beiden Hauptarmen, sie dominieren dann das Bild“, erklärt Andrew Wilson von der Universität von Maryland.

Ursache der “Geisterarme” seit Jahren ungeklärt

“Die Natur dieser anormalen Arme ist ein langjähriges Rätsel der Astronomie”, erklärt Yuxuan Yang, Hauptautor des jetzt in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ veröffentlichten Artikels. „Sie sind seit ihrer Entdeckung in den frühen 1960er Jahren rätselhaft.“ Die Astronomen aus Maryland nutzten jetzt die vereinten Abbildungsmöglichkeiten gleich dreier Observatorien, des XMM-Newton Röntgenobservatoriums, des Röntgenteleskops Chandra und des Spitzer-Weltraumteleskops, um das Geheimnis endlich zu knacken.

Zuvor gab es Vermutungen, die Geisterarme seien möglicherweise Teilchenströme, die von einem Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie ausgeschleudert werden. Doch Beobachtungen im Radiowellenbereich haben diese Theorie entkräftet, da dabei zwei weitere, echte Jets, entdeckt worden waren. „Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass ein galaktischer Kern mehr als zwei Jets besitzt“, erklärt Yang.

2001 stellte ein weiteres Team von Astronomen fest, dass die beiden neu entdeckten Jets um 30 Grad gegen die Ebene der Spiralgalaxie geneigt sind. Wenn man sie jedoch auf die Ebene projizierte, waren sie fast deckungsgleich mit den „Geisterarmen“. Das konnte kein Zufall sein. Die Forscher postulierten die Theorie, dass die energiereichen Jets Gase in der Galaxienebene entlang ihres Weges extrem aufheizten und dabei Schockwellen erzeugen, die es im Röntgenspektrum und anderen Wellenlängen hell aufleuchten lassen.

Röntgendaten belegen Verschiebung

Um diese Theorie zu testen, analysierten Yang und seine Kollegen archivierte Spektraldaten des XMM-Newton Teleskops. Aus diesen konnten sie die Gastemperaturen in den anormale Armen ermitteln und auch feststellen, wie die vom Gas ausgesendeten Röntgenstrahlen auf ihrem Weg durch Material absorbiert wurden. „Eine der Vorraussagen dieses Szenarios ist, dass die anormalen Arme allmählich durch die Jets aus der Galaxienebene herausgeschoben werden“, erklärt Yang.

Und tatsächlich gaben die XMM-Daten erste Hinweise auf einen solchen Prozess. Denn die Röntgenstrahlen der Arme werden nicht gleichmäßig absorbiert, sondern stärker in Richtung des nordwestlichen Arms. Offenbar liegt dieser teilweise auf der abgewandten Seite der Galaxie, während der südwestliche Arm bereits leicht aus der Ebene in Richtung Erde zeigt.

Strahlende Schatten der Jets

Eine weitere Bestätigung der Theorie lieferten dann Daten des Spitzer-Weltraumteleskops der NASA. Denn in den Infrarotaufnahmen ist deutlich zu erkennen, dass die Röntgenstrahlung des nordwestlichen Arms tatsächlich durch das warme Gas und den Staub der Galaxienebene absorbiert wird. Die hochauflösenden Bilder des Chandra-Observatoriums belegten zudem klar die Beeinflussung des Gases durch Interaktion mit den Jets in Form von Schockwellen. Das Rätsel um die Geisterarme ist damit gelöst: Sie sind gewissermaßen der gasförmige, strahlende Schatten der beiden aus dem Galaxienkern herausschießenden Jets.

(ESA, 11.04.2007 – NPO)

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