Medizin

Parkinson: Teilung führt zum Zelltod

Fehlgeleitete Zellteilungssignale verursachen Gehirnabbau

Dopamin-produzierende Nervenzellen (grün / blau) in der Substantia Nigra einer Maus mit Parkinson © Günter U. Höglinger

Ursache für den Tod von Gehirnzellen bei der Nervenkrankheit Morbus Parkinson ist ein fataler Irrweg, den die Neuronen einschlagen: Wissenschaftler haben entdeckt, dass sich die Zellen teilen wollen, obwohl dies bei ihnen biologisch gar nicht vorgesehen ist. Diese Erkenntnis der irregeleiteten Teilung könnte jetzt Ansätze für neue Therapien von Parkinson liefern.

Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In Deutschland sind davon zwischen 200.000 und 250.000 Menschen betroffen. Zu ihren motorischen Symptomen gehören Bewegungsverlangsamung, Muskelsteifheit und ein charakteristisches Zittern. Ursache der Symptome sind nach und nach absterbende Nervenzellen in der Substantia Nigra. Diese Gehirnregion ist der wichtigste Produktionsort des Botenstoffs Dopamin. Gehen hier Nervenzellen zu Grunde, kommt es zum Dopaminmangel im gesamten Gehirn.

Teilung führt zum Untergang

Jetzt haben Forscher der Universität Marburg aufgedeckt, dass die Zellen sterben, weil sie sozusagen mehr wollen, als vorgesehen: "Obwohl sich die Nervenzellen des Gehirns nicht durch Zellteilung vermehren können, schalten erkrankte Zellen die gesamte molekulare Maschinerie an, die für die Zellteilung nötig ist und gehen schließlich daran zugrunde", erklärt Günter U. Höglinger vom Fachbereich Medizin der Universität. Diese Erkenntnis veröffentlichte das internationale Team um den Neurologen Höglinger nun in den Proceedings der US-amerikanischen Nationalakademie (PNAS).

Bei den von den Wissenschaftlern untersuchten und von Parkinson betroffenen Nervenzellen wies alles darauf hin, dass sie sich gleich teilen wollten: "Im Gehirngewebe verstorbener Patienten wiesen wir nach, dass sich der DNA-Strang bereits verdoppelt hatte und dass verschiedene molekulare Schalter aktiviert waren, die normalerweise zu einer Zellteilung führen" – ein erstaunlicher Vorgang angesichts der Tatsache, dass sich die ausdifferenzierten Nervenzellen des Gehirns grundsätzlich nicht durch Zellteilung vermehren können.

Signale im Konflikt

Im Reagenzglas sowie in Tiermodellen konnten die Forscher belegen, dass es bei den erkrankten Nervenzellen, die scheinbar kurz vor einer Teilung stehen, zu einem Konflikt von Signalen kommt. Dieser führt schließlich dazu, dass sie sich selbst umbringen. "Der Versuch der Zellteilung und diese Art von Zelltod hängen wahrscheinlich eng miteinander zusammen", erklärt Höglinger, der seit dem Jahr 2004 die Arbeitsgruppe für Experimentelle Neurologie im Biomedizinischen Forschungszentrum der Philipps-Universität leitet. Beides sind entwicklungsgeschichtlich sehr alte Prozesse, die sich möglicherweise parallel entwickelten und daher über "Schalter" verfügen, die beiden gemeinsam sind.

Schalter gentechnisch blockiert

In experimentellen Parkinson-Modellen konnten die Forscher bereits die detaillierte Abfolge der zellulären Signale entschlüsseln, die letztlich zum "irrtümlichen" Zelltod führen. "Besonders interessant ist", so Höglinger, "dass wir diese Signale bereits beeinflussen können. Im Tierversuch haben wir durch gentechnische Manipulation erreicht, dass die molekularen Schalter für die Zellteilung nicht mehr 'umgelegt' werden und dass infolgedessen auch der Zelltod ausbleibt."

Das internationale Forscherteam erhofft sich nun, dass ihre Erkenntnisse zur Entwicklung neuroprotektiver, also die gefährdeten Zellen schützender Strategien führen. Aktuell arbeitet die Arbeitsgruppe um Höglinger intensiv daran, zu verstehen, was in den erkrankten Zellen dazu führt, diese fehlgeleiteten Signale zur Einleitung der "frustranen" Zellteilung zu aktivieren. Auf diese Weise hoffen sie, an einem möglichst frühen Punkt der fatalen Signalkaskade therapeutisch eingreifen zu können.

(Universität Marburg, 23.02.2007 – NPO)

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