Physik

Moleküle auf dem Karussell

Forscher konstruieren erstes Molekülsynchrotron

Im Vergleich zu den gewaltigen Synchrotronen am CERN bei Genf oder am BESSY in Berlin, die hochenergetische Teilchen in Ringen von 27 Kilometer bzw. 240 Meter Länge speichern, hat das neue Molekülsynchrotron bescheidene Ausmaße - 80 Zentimeter misst der Speicherring im Durchmesser. Das Molekülsynchrotron besteht aus zwei Halbringen. Elektrische Felder an den Übergängen von einem Halbring zum anderen fokussieren die Moleküle, indem sie langsame Moleküle beschleunigen und schnelle Moleküle abbremsen. An einem der beiden Spalte ist außerdem ein Zähler angebracht. Ein Ionisierungslaser beschießt die Moleküle an dieser Stelle. Die ionisierten Moleküle fliegen aus dem Ring und treffen dann auf einen Ionendetektor - die Wissenschaftler leiten daraus ab, wie groß die Moleküldichte in den einzelnen Bereichen des Speicherrings ist. © Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft

Ein neuartiges Synchrotron für Moleküle haben Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft vorgestellt. Darin haben sie einen Strahl von speziell behandelten, so genannten deuterierten Ammoniakmolekülen beschleunigt, abgebremst und auf der Kreisbahn gebündelt. Genau wie Synchrotrone in der Hochenergiephysik ist auch dieses Synchrotron ein Speicherring – doch statt hochenergetischer Ionen oder Elektronen speichert es Moleküle.

Die Energie der Moleküle ist mit wenigen Millielektronenvolt viel niedriger als bei Hochenergieteilchen, deren Energie mehrere Gigaelektronenvolt beträgt. Daher kommt das Molekülsynchrotron mit viel kleineren Dimensionen aus: Sein Ringumfang beträgt gerade einmal 80 Zentimeter, so die Forscher des Berliner Fritz-Haber-Instituts in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Physics online.

Wenn Atome und Moleküle auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt werden, bewegen sie sich immer langsamer. Wissenschaftler fangen diese im Verhältnis zur Umgebung kalten Teilchen in Molekülfallen ein – eine solche Falle kann aus magnetischen, optischen und elektrischen Feldern bestehen. Damit ist auch ein elektrostatischer Speicherring ein Synchrotron, eine Molekülfalle. Er fängt Teilchen mit minimaler potentieller Energie allerdings nicht an einem einzigen Ort im Raum ein, sondern hält sie auf einer Ringbahn. Die Moleküle bewegen sich mit einer geringen Restgeschwindigkeit, fliegen aber nicht aus dem Ring heraus.

Das neue Berliner Molekülsynchrotron kann die Teilchen nicht nur speichern, sondern auch bündeln. Es besteht nämlich aus zwei Halbringen, die durch einen zwei Millimeter großen Spalt voneinander getrennt sind. Jedes Mal, wenn die Moleküle den Spalt passieren, verändern elektrische Felder die Geschwindigkeit der Moleküle: Sie beschleunigen die langsameren Moleküle, schnellere Moleküle bremsen sie ab. Nach 40 Runden, also ungefähr 30 Metern freien Fluges, ist die Wolke der deuterierten Ammoniakmoleküle im Speicherring über einen Bereich von nur drei Millimeter Länge verteilt – und immerhin besteht diese Wolke aus etwa einer Million Molekülen.

Molekülpakete sollen zusammenstoßen

Einen Prototyp des jetzt vorgestellten Molekülsynchrotrons hatte die Forschergruppe am FOM-Institut für Plasmaphysik im niederländischen Nieuwegein konstruiert. Dieser Speicherring besaß bereits alle erforderlichen Eigenschaften, um die Bewegung der Moleküle in allen Richtungen außer auf der Kreisbahn einzuschränken; sie konnten also den gesamten Ring ausfüllen. Eines konnte der Prototyp aber nicht – die Moleküle bündeln, während sie den Ring durchlaufen. Das schafften die Forscher jetzt mit dem neuen Modell des Molekülsynchrotrons.

Damit ist es auch möglich, zusätzliche Molekülpakete in den Ring zu injizieren, ohne die bereits gespeicherten zu beeinträchtigen. Die Berliner Wissenschaftler haben auf diese Weise bereits zwei Molekülpakete im Synchrotron gespeichert. So eröffnen sich neue Möglichkeiten, um die Physik der Moleküle zu erforschen. Speichert man nämlich viele Molekülwolken über einen längeren Zeitraum im Synchrotron, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Molekülpakete zusammenstoßen. Genau das haben die Wissenschaftler nun vor. Gelingt ihnen dieses niederenergetische Kollisionsexperiment, ist das ein molekülphysikalisches Pendant zu den hochenergetischen Experimenten in der Kernphysik.

(idw – MPG, 23.01.2007 – DLO)

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