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Risikolebensraum Megacity?

Santiago de Chile steht im Mittelpunkt einer neuen Forschungsinitiative

Individualverkehr in Santiago de Chile © André Künzelmann/UFZ

Die Zahlen sind dramatisch: Schätzungen der UN zufolge konzentrieren sich 90 Prozent des künftigen Bevölkerungswachstums in Städten. Bereits in zehn Jahren wird es über 60 Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern geben – überwiegend in Entwicklungsländern und mit zunehmenden Umweltproblemen.
Deshalb haben nun fünf Zentren der Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit Partnerorganisationen in Lateinamerika eine neue Forschungsinitiative ins Leben gerufen. Der „Risikolebensraum Megacity“ soll in den nächsten Jahren exemplarisch am Beispiel von Santiago de Chile untersucht werden.

Die Verstädterung in Lateinamerika ist weit voran geschritten. So ähnelt dort der Anteil städtischer Bevölkerung dem von Europa und liegt sogar weitaus höher als in Asien oder Afrika. Doch dieses rasante Wachstum birgt neben neuen Chancen auch große Risiken. So sind die Bewohner von Riesenstädten nicht nur Naturgefahren wie Hangrutschen, Erdbeben oder Fluten ausgesetzt. Oft bedrohen auch das enorme soziale Gefälle oder technische Risiken wie beispielsweise eine mangelnde Trinkwasserversorgung die Bevölkerung. Schwerwiegende Probleme, die sich langfristig sogar auf Mitteleuropa auswirken können.

Lokale Probleme – weltweite Wirkung

Denn Megastädte wie Tokyo, Mexiko City, oder eben Santiago de Chile tragen durch die Luftverschmutzung zum globalen Klimawandel bei. Unzureichende hygienische Bedingungen sorgen zudem dafür, dass das Risiko des Ausbrechens von Epidemien extrem ansteigt. Schon die Ängste vor einer Verbreitung von unberechenbaren Krankheiten wie SARS oder der Vogelgrippe durch Flugpassagiere lassen erahnen, welche Gefahren in einer globalisierten Welt auch Bewohnern anderer Regionen durch diese Risikogebiete drohen.

Die neue Forschungsinitiative „Risikolebensraum Megacity“ will daher bis zum Jahr 2013 Strategien für eine nachhaltige Entwicklung in Megastädten und Ballungsräumen entwickeln. An ihr sind neben dem Forschungszentrum Karlsruhe, dem GeoForschungsZentrum Potsdam, dem Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Braunschweig sowie dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig auch die Universidad de Chile und die Pontificia Universidad Católica beteiligt. An der Forschungsinitiative werden etwa 40 Wissenschaftler mit einem Etat von rund 2 Millionen Euro pro Jahr arbeiten.

Lateinamerika im Visier

Luftbelastung in Santiago de Chile © André Künzelmann/UFZ

Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten liegt zunächst auf den Metropolen Lateinamerikas. Rund 76 Prozent der Bevölkerung leben dort bereits in Städten, in Südostasien und Afrika hingegen nur jeweils 35 Prozent. In Lateinamerika sind somit schon jetzt Prozesse sichtbar, die den Städten anderer Kontinente noch bevorstehen. Zum Beispiel spielt die Landflucht in die Städte – typisch für die rasante industrielle Entwicklung – bereits nur noch eine untergeordnete Rolle. Inzwischen ziehen die Einwohner größtenteils innerhalb der Stadt um, was zu einer sozialen Differenzierung führt. Hinzu kommt eine wachsende internationale Migration.

Bei einer Megacity geht es jedoch nicht nur um die Größe und Einwohnerzahl, sondern auch um deren Bedeutung für das gesamte Land. Aufgrund der Konzentration von Funktionen hängt von ihr die Entwicklung des jeweiligen Landes ab. In Lima oder Buenos Aires konzentriert sich beispielsweise etwa die Hälfte der Wirtschaftskraft des ganzen Landes. Plattform der Initiative und erste Fallstudie ist jedoch zunächst die Metropolregion Santiago de Chile, die an typischen Problemen einer Megacity leidet.

Kooperation von Natur- und Sozialwissenschaftlern

In den nächsten Jahren suchen die Forscher nach neuen Wegen für eine nachhaltige Entwicklung Santiagos, die möglicherweise auch auf weitere Megastädte in Lateinamerika anwendbar sind: Was sind die Hauptprobleme? Welche Risiken stehen einer nachhaltigen Entwicklung entgegen? Wie könnte die Stadt eine Generation später aussehen? Dabei wollen die Forscher vor allem die Stärken der Helmholtz-Gemeinschaft einbringen: das Zusammenarbeiten von Natur- und Sozialwissenschaftlern. Auch wenn die Megacity-Forschung noch ganz am Anfang steht, eines ist jetzt schon klar: Einzelne Teilaspekte zu untersuchen reicht allein nicht aus. Nur eine integrierte Gesamtbetrachtung kann helfen, diese drängenden Probleme der Menschheit zu lösen.

(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 19.12.2006 – AHE)

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