Ob Rubine im Laser, Diamanten in der Schleifmaschine oder Saphire im Halbleiter – Edelsteine finden inzwischen nicht mehr nur Verwendung als reine Schmucksteine. Vielmehr sind sie heute ein unverzichtbarer Werkstoff in Industrie und Materialforschung.
Lange Zeit galt der Diamant als der Edelstein schlechthin – glitzernd, funkelnd und äußerst langlebig. „Kaum bekannt ist jedoch, dass nicht jeder dieser edlen Steine von Natur aus lupenrein ist, sondern häufig Farbschattierungen entsprechend der eingeschlossenen Fremdsubstanzen, Fremdelemente oder der strukturellen Defekte aufweist“, erläutert Professor Wolfgang Hofmeister vom Fachbereich Geomaterial- und Edelsteinforschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. „Doch durch die heutige Materialkenntnis lassen sich beispielsweise braune Diamanten relativ problemlos durch strukturelle Veränderungen entfärben und somit optimieren“, fügt Hofmeister hinzu.
Auch die faszinierende Lichtbrechung des Diamanten kommt erst durch den nachträglichen Brillant-Schliff richtig zur Geltung. „Dabei wird heute nur ein geringer Anteil der natürlichen Diamanten überhaupt noch zu Schmuckzwecken genutzt“, weiß Hofmeister zu berichten. Der weitaus größere Teil wird bei technischen Prozessen des Schneidens, Drückens, Beobachtens, Kühlens benötigt. Eine beträchtliche Menge der edlen Steine wird mittlerweile sogar künstlich im Labor hergestellt. „Damit haben die Diamanten ihren ehemals hohen Stellenwert als unnachahmlicher Schmuck-Kristall etwas eingebüßt“, so Hofmeister. „Aber natürlich nichts von ihrer großen Faszination verloren“, fügt der Edelsteinexperte schnell hinzu.
Kristalleigenschaften verbessern
Doch nicht nur Diamanten stehen im Interesse der Edelsteinforschung, auch andere Kristalle lassen sich durch technische oder chemische Eingriffe weiter optimieren. „Bei geeigneten Eisen- und Titangehalten kann die Blau¬färbung eines Saphirs ver¬tieft oder die Transparenz verbessert werden. Liegt ein wenig Antimon im grauen Zoisit vor, so kann er durch Erhitzen unter bestimmten Bedingungen zu einem blauen Tansanit verbessert werden“, weiß Hofmeister zu berichten. Doch dies sind keineswegs nur Schönheitskorrekturen. Vielmehr kann sich aus der verbesserten Materialkenntnis auch schon einmal ein ganz neuer Industriezweig entwickeln. So ist etwa die heutige Erfolgsgeschichte der Laser-Technologie auf die Erforschung des Edelstein-Minerals Rubin zurückzuführen.
Edelsteine sind daher in der heutigen Materialforschung unverzichtbar geworden, beispielsweise um Phasenbeziehungen bei Kompositen zu untersuchen. Hofmeister gibt zwei Beispiele: „Dies kann ein transparenter, einkristalliner Bereich eines Edelstein-Minerals wie Korund oder Saphir sein, der einen kleinen Zirkon-Kristall umschließt. Oder aber ein roter Granat, der in einem klaren Diamant-Kristall eingeschlossen ist.“ Mithilfe modernster Geräte lässt sich die Frage nach dem Kristallisations¬zeit¬punkt der jeweiligen Phasen oder nach ihren physikochemischen Wechselbeziehungen beantworten. Eine wichtige Rolle spielen diese Ergebnisse beispielsweise bei der Produktion transparenter Keramiken.
Schmucksteine im Visier
„Doch am Institut für Edelsteinforschung Idar-Oberstein gehen wir abseits der industriellen Verwertbarkeit auch kulturhistorischen Aspekten nach“, ergänzt Hofmeister. Denn da der natürliche Edelstein auch heute noch ein Wertobjekt darstellt, ergibt sich häufig die Frage nach seiner Herkunft. „Besonders interessant ist dies beispielsweise für Archäologen, die Schmucksteine auf Artefakten untersuchen. Auch stellt sich die Frage nach den historischen Bearbeitungsmöglichkeiten sowie den Materialkenntnissen, Handelswegen sowie Prospektion und Abbau in früheren Zeiten der Menschheitsgeschichte.“
Neben solch historischer Spurensuche gehört aber auch die Bestimmung aktueller Handelsware zu den Aufgaben der Edelsteinexperten. Dabei tauchen immer wieder die Fragestellungen nach der Provenienz von Synthesen und Imitationen auf. Unter welchen Bedingungen, mit welchen Methoden werden Fälschungen und Nachahmungen hergestellt, wie ist es zu belegen und wie sind daraus allfällig zu erwartende Verbesserungen der Methoden zu verfolgen? „Durch die außerordentliche Breite der Ausrichtung ergeben sich viele Schnittstellen zu benachbarten Wissenschaften. Und vor allem die Materialforschung wird sich in Zukunft wohl noch mehr mit den vorhandenen oder „einstellbaren“ Eigenschaften der edlen Steine beschäftigen“, schätzt Hofmeister die Perspektiven seines Fachgebietes ein.
(Wolfgang Hofmeister – Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 08.12.2006 – AHE)