Der Klimawandel lässt Stürme häufiger und stärker werden – mit fatalen Folgen nicht nur für die Küsten, sondern möglicherweise auch für die vorgelagerten Korallenriffe. Wie groß die Schäden werden könnten, zeigt jetzt erstmals ein von amerikanischen Forschern entwickeltes mathematisches Modell. Wie sie in der Zeitschrift „Nature“ berichten, lassen sich damit die Folgen von Tsunamis, Stürmen oder starkem Wellengang simulieren und so entsprechende Schutzmaßnahmen planen.
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„Korallenriff-Experten haben schon seit langem ein ungefähres Gespür dafür, welche Korallenformen während eines Sturms besonders gefährdet sind“, erklärt Joshua Madin, Hauptautor der Studie und Forscher am ARC Centre of Excellence for Coral Reef Studies der James Cook Universität. „Aber um wirklich vorhersagen zu können, wie diese Ereignisse die Dynamik der Korallenriffe beeinflussen, brauchen wir einen Weg um diese Verwundbarkeit zu quantifizieren.“ Erst diese Kenntnis verhilft einerseits zu einem Verständnis der Faktoren, die die Verteilung der Riffe beeinflussen und trägt andererseits dazu bei, mögliche Veränderungen durch den Klimawandel vorhersagen zu können.
Saure Meere und steigende Temperaturen verstärken Sturmanfälligkeit
Nach Ansicht von Madin und seinem Kollegen Sean Connolly müssen stärkere Stürme an sich jedoch keine Bedrohung für die Riffe darstellen. „Korallen sind an das Leben im stürmischen Meer angepasst. Selbst verwundbare Arten sind relativ stabil, solange sie jung sind“, erklärt Connolly. „Zudem wachsen und regenerieren sie sich schnell, so das die Arten sich erholen können bevor der nächste große Sturm kommt.”
Bedrohlich wird die Sturmzunahme erst durch die Kombination mit einer weiteren Folge des Klimawandels: Den Anstieg der Treibhausgasproduktion und damit des Säuregehalts der Ozeane. Denn die Gase, allen voran Kohlendioxid, lösen sich im Meerwasser und bilden Säuren. Das saurere Milieu wiederum greift die Kalkskelette der Korallen an und reduziert so ihre Stabilität gegenüber Sturmschäden. Gleichzeitig schwächen auch die steigenden Wassertemperaturen die Korallen und lassen sie im Extremfall absterben, wie die grassierende Korallenbleiche deutlich zeigt.
“Unabhängig davon, ob wir die stärkeren Stürme als Bedrohung betrachten oder nur als Teil eines natürlichen Zyklus, eine Sache ist sicher“, so Connolly. „Um vorherzusagen, wie Korallenriffe unter verschiedenen Zukunftsszenarien aussehen werden, und um dafür entsprechend vorausplanen zu können, müssen wir genau wissen, wie die Wellenkraft bestimmt, wer im Riff lebt und wer stirbt. Diese neuen Modelle liefern uns dieses entscheidende Werkzeug dafür.“
Form und Lage im Riff entscheidend
Gemeinsam mit Connolly setzte Madin mathematische Modelle aus der Ingenieurswissenschaft ein, um die Bewegungen des Sturms in mechanischen Stress auf die Korallen verschiedener Riffteile zu „übersetzen“. Die Berechnungen beinhalteten dabei auch die unterschiedlichen Formen der Korallenkolonien und kalkulierten, ob sie während eines Sturms entwurzelt werden würden oder nicht. So ist eine ausladende, hutförmige Tafelkoralle mit ihrem breiten flachen Oberteil auf dünnem Stil weitaus anfälliger gegenüber der Kraft der Wellen als buschige oder kugelige Formen.
Gleichzeitig spielt jedoch auch eine Rolle, wo auf dem Riff eine Koralle wächst. Sitzt sie an einer exponierten, den Wellen zugekehrten Seite, wird sie eher beschädigt als eine Kolonie in einer geschützten Nische oder auf der Riffrückseite.
Skala für Verwundbarkeit
Um die Myriaden unterschiedlicher Formen und Platzierungen in eine einfache Skala zu bringen, die ihre Verletzlichkeit in Bezug auf eine Entwurzelung widerspiegelt, führten die Forscher einen neuen Parameter ein – den so genannten „colonie shape factor“ (CSF). Jedes Extremereignis, sei es ein Wirbelsturm oder ein Tsunami, bekommt vom Modell einen Wert für seine potenzielle Zerstörungskraft zugeteilt. Auf der Kolonie-Skala kann dann abgelesen werden, welcher Korallentyp über einem bestimmten Schwellenwert liegt und damit zerstört wird.
Das Forscherteam testete ihr Modell an einem Riff nahe Lizard Island, im Norden des Great Barrier Reef gelegen. Es zeigte sich, dass die Schwellenwerte, die sie für den stärksten Sturm des Vorjahres kalkulierten, perfekt mit der Realität übereinstimmte: „Es gab eine Menge von Tafelkorallen direkt bis zum Schwellenwert für den letzten großen Sturm und dann abrupt nichts mehr darüber“, erklärt Connolly. „Die Korallen folgten sogar den vorhergesagten räumlichen Trends von der Riffkante bis zur Rückseite.“
(James Cook University, 29.11.2006 – NPO)