Klima

Rückenwind für Emissionshandel

WWF und EU fordern strengere Emissionslimits

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas unterstützt eine WWF-Initiative von führenden europäischen Wirtschaftwissenschaftlern, die sich für eine Stärkung des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) einsetzen. Mehr als 50 Ökonomen aus ganz Europa fordern in einer gestern vom WWF in Brüssel vorgestellten Erklärung schärfere Obergrenzen und damit eine Verknappung der Emissionszertifikate, um das Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) zu stärken.

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Zu den Unterzeichnern gehören 15 Wissenschaftler aus Deutschland. Sie arbeiten unter anderem am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), dem Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), dem Ifo-Institut in München und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Die Erklärung wurde von Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), und Michael Grubb, Chief Economist des Carbon Trust und an der Universität Cambridge, dem EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in einer gemeinsamen Pressekonferenz übergeben. Die Experten zeigen sich überzeugt, dass der Emissionshandel das effektivste und effizienteste Instrument der CO2- Emissionsreduktion sei. Zugleich lasse sich durch das Handelssystem eine stärkere Belastung vermeiden.

"Nur wenn wir bald ernsthafte Schritte unternehmen, wird die Minderung der Klimaverschmutzung noch relativ kostengünstig und mit positiven Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft zu haben sein. Der europäische Emissionshandel spielt dabei eine wichtige Rolle, aber er muss vereinfacht und harmonisiert werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu mindern, die durch die gegenwärtige Praxis entstehen, in der jedes Land eine andere Methode zur Zuteilung der Verschmutzungsrechte wählt," so Edenhofer.

Verknappung des Marktes soll System effizienter machen

Die EU prüft zurzeit die eingereichten Nationalen Allokationspläne (NAP) der Mitgliedsstaaten für die zweite Phase des ETS von 2008 bis 2012. Der WWF kritisiert die eingereichten Pläne scharf, weil sie durch überhöhte absolute Emissionsobergrenzen ein im Prinzip sinnvolles Instrument zur Wirkungslosigkeit verurteilen. Bereits für die erste Phase hatten die NAPs den Industrieanlagen mehr Verschmutzungsrechte als nötig zugeteilt.

Darunter hatte die Effektivität des Instruments zu leiden. Die negativen Folgewirkungen für die Emissionsmärkte, etwa der Preisverfall für Zertifikate sind bekannt. „Ein wirkungsvolles EU-Emissionshandelssystem ist lebenswichtig, um die bestehenden Reduktionsverpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zu erreichen“, betont Matthias Kopp, Projektleiter beim WWF Deutschland. "Ohne klare Obergrenzen sind die NAPs klimapolitisch kontraproduktiv".

Die Forderungen des WWF und der europäischen Wirtschaftswissenschaftler zielen auf eine Verknappung des Marktes, um das Handelssystem effizienter zu machen. Niedrigere Gesamtemissionslimits und eine Zulassung von Auktionierung von zehn Prozent seien entscheidende Bausteine. EU-Kommissar Stavros Dimas zeigte sich fest entschlossen, das Handelssystem zu stärken: "Die Tatsache, dass die bislang eingereichten Nationalen Allokationspläne in vielen Fällen Emissionslimits vorsehen, die über die tatsächlichen Emissionen von 2005 hinausgehen, ist enttäuschend. Ich garantiere eine harte und gerechte Beurteilung aller Pläne, und in den kommenden Wochen wollen wir zu Entscheidungen über eine erste Gruppe von Nationalen Allokationsplänen kommen."

Der WWF rechnet damit, dass der deutsche Allokationsplan von Brüssel zurückgewiesen wird. Die Emissionsobergrenze sei deutlich zu hoch. Auf dieser Basis könne Deutschland seine Kyoto-Verpflichtung nicht erfüllen.

"Die EU-Kommission muss eine Verringerung der Zertifikate anmahnen und den deutschen Plan zurückweisen", sagt Matthias Kopp vom WWF.

EU-Länder vergeben leichtfertig Chancen beim Emissionshandel

Kritik an der bisherigen Praxis des Emissionshandels hat in einer neuen Studie auch das Fraunhofer ISI geäußert. Die Forscher hatten untersucht, wie die EU-Staaten in die nächste Runde des Emissionshandels ab 2008 starten wollen. Fazit: Die Industrie erhält EU-weit zu viele Emissionsrechte und die Regeln der meisten Mitgliedstaaten – auch Deutschlands – sind zu lax und setzen falsche Innovationsanreize.

Wie sinnvoll setzen die EU-Länder das Instrument Emissionshandel zum Klimaschutz ein? Dieser Frage ging das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe in Zusammenarbeit mit dem Centre for Energy and Environmental Markets (CEEM) der Universität von New South Wales (Australien) nach. Fazit: Abgesehen vom vorbildlichen Allokationsplan Großbritanniens müssen die meisten Länder noch ihre Hausaufgaben machen, um das Effizienzpotenzial des Emissionshandels zu nutzen und somit ihre im Kyoto-Protokoll vereinbarten Ziele zum Klimaschutz möglichst günstig zu erreichen.

Das Fraunhofer ISI und CEEM haben die Pläne von 18 Mitgliedstaaten der EU für die nächste Periode des europäischen Emissionshandels von 2008 bis 2012 unter die Lupe genom-men. Nach Berechnungen der ISI-Experten nehmen die Länder beim Klimaschutz die Industrie zu wenig in die Pflicht. "Eine großzügige Zuteilung von Emissionsrechten, vor allem in den neuen Mitgliedsstaaten, führt dazu, dass kaum Minderungen der Treibhausgase notwendig sein werden", erläutert ISI-Wissenschaftlerin Karoline Rogge. "Auch Deutschland sollte ambitionierter sein und dem Emissionshandelssektor weniger Emissionsrechte zuteilen".

Besonders kritisch sehen die ISI-Ökonomen, dass Neuanlagen in ganz Europa Emissionsrechte gratis erhalten. Dabei bekommt in Deutschland ein neues sauberes Erdgaskraftwerk bedeutend weniger Emissionsrechte je produzierter Kilowattstunde Strom als ein Kohlekraftwerk. "Diese Art der Subventionierung neuer Anlagen zementiert bestehende Erzeugungsstrukturen, setzt falsche Innovationsanreize und widerspricht der Logik des Emissionshandels", betont ISI-Experte Joachim Schleich.

30 Prozent weniger Emissionen bis 2020?

Außerdem bemängeln die Autoren, dass sich die Zuteilung an Rechten für bestehende Anlagen in der Mehrheit der Mitgliedstaaten – so auch in Deutschland – erneut am vergangenen Kohlendioxidausstoß orientiert. Das hat zur Folge, dass große Verschmutzer eher glimpflich davon kommen. Anders in England: Dort wird an alle Kraftwerke der gleiche, ehrgeizige Maßstab angelegt. "Auch die Chance, bis zu zehn Prozent der Emissionsrechte in einer Versteigerung zu vergeben und damit den Mechanismen des Marktes zu vertrauen, wird in keinem der Staaten voll ausgeschöpft und ist im deutschen Vorschlag wiederum nicht vorgesehen", bemängelt CEEM-Wissenschaftlerin Regina Betz.

Welche künftigen Minderungsziele sich die Europäische Union beim Ausstoß von Treibhausgasen setzen wird, ist noch offen. In der Kyoto- Periode 2008 bis 2012 wollen die 15 alten Mitgliedsstaaten acht Prozent weniger Treibhausgase als in der Basisperiode 1990 emittieren.

Bis 2020 sind 30 Prozent weniger Emissionen im Gespräch, bis 2050 sogar minus 80 Prozent. Wie diese Ziele erreicht werden sollen, wird aktuell auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Nairobi verhandelt. Die Bundesregierung will Klimaschutz ins Zentrum ihrer EU- Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr stellen, und setzt dabei auf eine ökologische Innovations- und Industriepolitik. Im Prinzip wäre der Emissionshandel dafür bestens geeignet.

(WWF/Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), 10.11.2006 – DLO)

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