Geowissen

Achterbahn am Aconcagua

Pilotenteam erforscht gefährliche Luftwirbel

Jetstreamforschung vom Flugzeug aus © Mountain Wave Project

Wissenschaft ist immer auch Abenteuer. Vor allem dann, wenn die Forschung nicht ungefährlich ist, wie für die vier Segelflieger und Wissenschaftler, die Anfang Oktober zu den argentinischen Anden aufbrechen um dort Turbulenzforschung zu betreiben. Sie wollen den wilden Tanz untersuchen, den stürmische Höhenwinde im Lee des knapp 7.000 Meter hohen Aconcagua durchführen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen hoffen sie die Vorhersage der gefährlichen Wirbel zu verbessern und damit auch die Flugsicherheit in den betroffenen Gebieten zu erhöhen.

Wo immer stürmische Winde auf hohe Berge treffen, geraten die Luftmassen in Aufruhr. Zum Beispiel bei Föhn in den Alpen. Segelflieger kennen dieses Phänomen, haben gelernt damit umzugehen. Sie wissen, wo sie gnadenlos durchgeschüttelt werden, kennen aber auch die Orte, wo gigantische Aufwinde sie wie im Expresslift bis an den Rand der Troposphäre hoch schleudern. Dieses Wissen wollen die vier Forscher des „Mountain Wave Project" einsetzen, wenn sie im besten Freiluftlabor der Welt, der hohen Kordillere an der Grenze zwischen Chile und Argentinien, die Messflüge planen. Ihr Forschungsflugzeug, der Motorsegler S-10VT der Stemme AG aus (dem brandenburgischen) Straussberg (bei Berlin) ist mit modernsten Instrumenten ausgerüstet.

Das Team baut auf den Erfahrungen auf, die es bei der ersten Expedition 1999 nach San Martin de los Andes im nördlichen Patagonien gesammelt hat. Spektakuläre Langstreckenrekorde im Segelflug waren damals die Ausbeute der intensiven Erkundungsflüge. Klaus Ohlmann, Spezialist im Gebirgssegelflug, schaffte mit der unglaublichen Strecke von 3008 Kilometern den längsten Segelflug aller Zeiten.

Forschung im Jetstream

Diesmal soll die Wissenschaft im Vordergrund stehen. Dazu haben die Forscher ihr Operationsgebiet weiter nach Norden verlegt, wo der subtropische Jetstream mit voller Wucht auf die höchsten Gipfel der Anden prallt. Und wo die meistbeflogene Luftstrasse nach Santiago de Chile über das Gebirge führt. Als Gäste der argentinischen Luftwaffe werden sie von deren Stützpunkt auf dem Flughafen Plumerillo bei Mendoza starten. Das Aconcagua-Massiv, Quelle der heimtückischen Wirbel, ist nur 120 Kilometer entfernt.

Mit von der Partie sind neben Klaus Ohlmann der Berliner René Heise vom Geoinformationsdienst der Bundeswehr und der in der Schweiz lebende Physiker Wolf-Dietrich Herold. Neu im Team ist Jörg Hacker, Professor für Flugmeteorologie an der Flinders University in Adelaide, Australien. Er ist ein ausgewiesener Spezialist im Einsatz von Flugzeugen zur Erforschung der Atmosphäre und bringt die moderne Messausrüstung mit.

Streckenrekorde stehen diesmal nicht auf dem Programm. Auch die Höhenbestmarke von 15,5 Kilometern, die Rekordjäger Steve Fossett vor ein paar Wochen im Höhendruckanzug mit einem stark modifizierten Segelflugzeug im Süden Argentiniens aufgestellt hat, wird nur schwer zu übertreffen sein. Unbekannt ist nämlich noch, ob die Aufwinde am Aconcagua überhaupt bis in die Stratosphäre reichen. Aber neue, präzise Einträge von Ort und Stärke der Turbulenzen auf einer Fliegerkarte der Anden wollen sie schon mitbringen und natürlich Gigabytes von Daten, aus denen man mehr über Entstehung und Struktur der gefährlichen Wirbel lernen kann.

Mountain Wave Project im TV

Die 360° GEO-Reportage am 09.05.2009 um 20:15 Uhr auf ARTE berichtet ausführlich über die Forschungsexpedition.

(Mountain Wave Project, 25.09.2006 – NPO)

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