Physik

Auf der Jagd nach verwandelten Neutrinos

Großexperiment am Teilchenbeschleuniger CERN gestartet

Neutrinos gelten als die Geisterteilchen der Physik: Die meisten voin ihnen passieren die Erde, ohne Spuren zu hinterlassen. Ihr Nachweis ist daher entsprechend schwer. Jetzt soll ein neues Projekt am Teilchendetektor CERN erstmals nachweisen, dass sich die Neutrinos auf ihrem Flug von einem Neutrinotyp in einen anderen verwandeln und nicht, wie teilwiese vermutet, einfach verschwinden.

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Eines der wichtigen Ziele der Elementarteilchenphysik ist es, die Eigenschaften von Neutrinos besser zu verstehen. Neutrinos kommen in drei verschiedenen Typen vor: Elektron-, Müon- und Tau-Neutrinos. Sie können sich auf einer langen Flugstrecke von einem Typ in einen anderen verwandeln. In der Elementarteilchenphysik wird diese Umwandlung "Neutrino-Oszillation" genannt. Noch nie konnte aber diese Oszillation direkt gemessen werden. Dies soll nun durch ein internationales Experiment ermöglicht werden, bei dem die Universität Bern eine massgebliche Rolle spielt. Die Resultate des Experiments werden international mit Spannung erwartet.

Neutrinostrahl quer durch die Erde

Das OPERA-Projekt will in Beinahe-Echtzeit die Umwandlung von Neutrinos in einem Neutrino-Strahl nachweisen, der am CERN bei Genf erzeugt wird. Nach einer Reise von 731 Kilometern durch die Erde erreicht er das Untergrund-Labor in den Bergen bei Rom. Wenn der Neutrino-Strahl das CERN verlässt, besteht er vor allem aus Müon-Neutrinos. Im Labor wird dann gezielt nach Tau-Neutrinos gesucht, um die Verwandlung von Müon- zu Tau-Neutrinos nachzuweisen. Dies wäre dann der endgültige Beweis, dass Neutrinos nicht "verschwinden", sondern dass sie sich effektiv von einem Typ in den anderen umwandeln. "Es ist ähnlich wie bei der Aufklärung eines Verbrechens", erklärt Urs Moser vom Institut für Hochenergiephysik. "Am Tatort liegt alles vor, aber wir müssen noch den Tathergang bestimmen."

Riesiger Detektor für kleinste Teilchen

Neutrinos sind Teilchen, die nur eine sehr kleine Masse haben. Sie sind im Gegensatz zu Protonen oder Elektronen elektrisch neutral. Daher können sie zum Beispiel ohne grossen Verlust oder Reaktionen die ganze Erde durchfliegen. Um trotzdem eine genügende Anzahl von Reaktionen beobachten zu können, zeichnen sich alle Neutrino- Detektoren durch eine imposante Grösse aus.

Der OPERA-Detektor besitzt eine Masse von 1?800 Tonnen und eine Grösse von ca. 7x7x25 Metern. Ein solches Projekt lässt sich nur in Zusammenarbeit von mehreren Ländern und Universitäten realisieren. OPERA hat zurzeit etwa 180 Mitarbeiter aus 13 Ländern. Das OPERA-Projekt wurde 1998 begründet und ist in den letzten Jahren am Untergrund-Labor bei Rom aufgebaut worden. Aus der Schweiz beteiligen sich neben der Universität Bern auch die Universität Neuenburg und die ETHZ.

Probestrahl am 18. August

Für das OPERA-Experiment wurde am CERN ein spezieller Neutrino-Strahl aufgebaut, der auf das Untergrund-Labor gerichtet ist. Am 18. August 2006 wurde dieser Strahl das erste Mal in Richtung des Labors geschossen. Schon am nächsten Tag waren die ersten Resultate ausgewertet und damit der Beweis für die gute Qualität des Strahls erbracht. Die Laufzeit des Experiments wird etwa fünf Jahre betragen. Die seltenen Tauneutrino-Reaktionen werden auf Filmplatten aufgezeichnet und mit computergesteuerten Mikroskopen an der Universität Bern analysiert.

(Universität Bern, 12.09.2006 – NPO)

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