Astronomie

Komet im Schwitzkasten

Tempel-1 verliert bis zu drei Millionen Tonnen Wasser bei Sonnenumkreisung

Komet © Universität Bonn

Fünfeinhalb Jahre benötigt der Komet Tempel 1, um einmal die Sonne zu umkreisen und verliert dabei drei Millionen Tonnen Wasser – dies entspräche auf der Erde immerhin einem kleinen See mit 500 Metern Durchmesser und 15 Metern Tiefe. Auf diese überraschenden Werte kommen Astronomen der Universität Bonn zusammen mit Kollegen vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in den USA. Seine schweißtreibende Abmagerungskur könnte Tempel 1 schon in einigen hundert Jahren das Leben kosten: Irgendwann wird er wahrscheinlich so instabil, dass er einfach auseinander bröselt. Ihre Ergebnisse haben die Forscher nun in der Fachzeitschrift „Icarus“ vorgestellt.

Kometen verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in den Randbereichen unseres Sonnensystems. Nur wenn sie auf ihrer Bahn der Sonne nahe kommen, werden durch die Sonneneinstrahlung große Mengen Staub und Gas freigesetzt: Es entsteht ein Kometenschweif, der bei besonders großen Kometen auch mit dem bloßem Auge zu sehen ist. Dabei verdampft hauptsächlich Wassereis, weshalb Kometen auch oft als schmutzige Schneebälle bezeichnet werden.

„Deep Impact“ macht’s möglich

Über die genaue Zusammensetzung der Kometenkerne ist jedoch relativ wenig bekannt. Aus diesem Grund wurde im vergangenen Jahr ein spektakuläres Experiment durchgeführt. Die Raumsonde „Deep Impact“ schoss ein mehr als 370 Kilogramm schweres Projektil auf Tempel 1 ab. Beim Einschlag wurde soviel Energie frei gesetzt wie bei der Explosion von 4,5 Tonnen TNT. „Auf diese etwas unsanfte Art hoffte man neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung des Kerns zu gewinnen“, sagt Frank Bensch vom Argelander-Institut für Astronomie.

Weltweit saßen Wissenschaftler an ihren Teleskopen und fieberten dem Aufprall des Projektils entgegen. Sie sahen, wie durch den Einschlag eine große Staubwolke in das All geschleudert wurde. Die Forschergruppe von Frank Bensch und ihre Kollegen in den USA interessierten sich vor allem für den Wassergehalt der Staubwolke und des Kometenkerns. „Von der Erde aus kann man das jedoch kaum messen, weil die Erdatmosphäre selbst sehr viel Wasserdampf enthält“, erklärt Bensch.

Feuchter Staub statt schmutziger Schnee

Für ihre Beobachtungen nutzten die Wissenschaftler daher den NASA- Satelliten SWAS (Submillimeter Wave Astronomy Satellite). Das Radioteleskop an Bord des Satelliten kann die vom Kometen „ausgeschwitzte“ Wasserdampfmenge messen. Drei Monate beobachteten sie damit im Sommer 2005 den Kometen Tempel 1 – so auch die Kollision mit dem Projektil. „Das Material, das dabei frei wurde, enthielt erstaunlicherweise kaum Wasserdampf“, sagt Bensch. „Es handelte sich eher um 'feuchten Staub' als um 'schmutzigen Schnee'.“

Stellenweise enthält der Komet jedoch durchaus große Mengen Eis: Zu manchen Zeiten verdampften nämlich bis zu 360 Kilogramm Wasser pro Sekunde von seiner Oberfläche. Zwischen diesen „aktiven“ Phasen kann die Wasserverdampfungsrate jedoch auf ein Drittel zurückgehen. Der Komet verliert dann „nur noch“ 120 Kilogramm Wasser pro Sekunde. „Wir glauben, dass nur ein kleiner Teil der Oberfläche größere Mengen Eis enthält“, versucht Bensch die Schwankungen zu erklären. „Der Kometenkern rotiert jedoch. Zu einem Anstieg der Kometenaktivität kommt es immer dann, wenn bei der Rotation einer der vereisten Bereiche von der Schatten- auf die Sonnenseite wechselt, wenn also über diesen aktiven Oberflächenregionen die Sonne aufgeht.“

Bensch und seine Mitarbeiter schätzen, dass Tempel 1 während seines Sonnenumlaufs im vergangenen Jahr knapp 3 Millionen Tonnen Wasser verloren hat – auf der Erde entspräche das einem kleinen See mit 500 Metern Durchmesser und 15 Metern Tiefe. In dieser Zeit sind die eisreichen Oberflächenregionen um bis zu 40 Zentimeter „schlanker“

geworden. Dennoch sei es unwahrscheinlich, dass der rund sechs Kilometer „dicke“ Komet im Laufe der Jahrtausende nach und nach verdampft. „Irgendwann wird er wohl einfach auseinander bröseln“, sagt Bensch. „Wenn er nicht zuvor mit dem Jupiter zusammenstößt oder von diesem aus dem Sonnensystem geschleudert wird.“

(idw – Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 26.07.2006 – AHE)

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