Bis zu einem Viertel der weltweiten Methan-Emissionen kommt aus gefluteten Reisfeldern. Das Treibhausgas wird von verschiedenen Gruppen von Mikroorganismen produziert, für die Luftsauerstoff lebensfeindlich ist. In den Wurzeln der Reispflanzen wurden erst kürzlich die so genannten Rice Cluster I (RC-I) Archaea als Haupterzeuger von Methan identifiziert. Wissenschaftler haben jetzt das vollständige Genom der neuartigen Methan-"Spucker" entschlüsselt und die bisher unbekannten Überlebensstrategien der Mikroorganismen enthüllt. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazin Science berichten, handelt es sich bei diesen Mechanismen um eine spezifische Anpassung an den sauerstoffhaltigen Wurzelraum der Reispflanzen.
Methan ist nach Kohlendioxid das Treibhausgas mit dem größten Einfluss auf das globale Klima. Seine Entstehung und Freisetzung erfolgt in geologischen und biologischen Vorgängen. Der bedeutendste biologische Prozess der Methanproduktion, die Methanogenese, ist gleichzeitig Energiestoffwechsel von Mikroorganismen, den so genannten methanogenen Archaea. Sie bilden Methan, indem sie entweder Acetat zu Methan und Kohlendioxid spalten oder Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Methan reduzieren.
Reisfelder als Methanschleudern
Eine wichtige Quelle für atmosphärisches Methan sind Reisfelder, wo es im Boden und im Wurzelraum der Reispflanzen gebildet wird. Emittiert wird das Methan über ein spezielles Gewebe der Reispflanze, das Aerenchym. Lange Zeit blieb unbekannt, welche Mikroorganismen nun tatsächlich für die Methanproduktion im Wurzelraum der Reispflanze verantwortlich sind. Marburger Max-Planck-Forscher konnten erst kürzlich zeigen, dass es sich dabei um methanogene Archaea des so genannten Rice Cluster I (RC-I) handelt. Sie scheinen für die weltweite Methan-Emission aus Reisfeldern hauptverantwortlich zu sein.
Im Gegensatz zu anderen gut charakterisierten Gruppen unter den methanogenen Archaea, wie den Methanosarcinales und Methanobacteriales, sind für RC-I-Archaea bisher keine isolierten Vertreter als Reinkulturen verfügbar. Daher war bisher über ihre physiologischen Fähigkeiten und ihre Anpassungsstrategien wenig bekannt. Ein Versuch zur Isolierung von RC-I-Archaeen aus Reisfeldboden führte zu einer mikrobiellen Mischkultur (MRE50), in welcher RC-I-Archaea immerhin einen Anteil von 50 bis 60 Prozent ausmachen. Die anderen Mitglieder dieser Mischkultur sind ausschließlich Mitglieder der Domäne Bacteria.
Vollständige Genomsequenz aufgeklärt
In der aktuellen Studie haben nun Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und für molekulare Genetik in Berlin die vollständige Genomsequenz eines häufig in der Mischkultur MRE50 vertretenen RC-I-Archaeons aufgeklärt. In der Regel ist eine Reinkultur und damit ein homogener Bestand an Erbinformation der Ausgangspunkt für die Analyse eines vollständigen mikrobiellen Genoms. Da aber im Fall der RC-I-Archaea keine Reinkultur zur Verfügung stand, diente die gesamte Erbinformation der Mischkultur MRE50 als Ausgangspunkt für die Entschlüsselung des vollständigen RC-I-Genoms.
Danach besteht das Genom des RC-I-Archaeons aus 3,2 Millionen Basenpaaren und kodiert für 3.103 Proteine. Unter anderem konnten die Proteine dem methanogenen Stoffwechsel zugeordnet werden, bei dem Methan ausschließlich durch die Reduktion von Kohlendioxid mit Wasserstoff erzeugt wird. Enzyme für die Verwertung alternativer methanogener Nährstoffe werden vom RC-I-Genom nicht kodiert. Das RC-I-Archaeon ist daher als Wasserstoff verwertend (hydrogenotroph) zu bezeichnen. Acetat kann aber als Kohlenstoff-Quelle zur Synthese von Zellkomponenten assimiliert werden.
Lebensfeindlicher Sauerstoff
Methanogene Archaea können Methan und damit einhergehend Lebensenergie nur unter strikter Abwesenheit von Sauerstoff produzieren. Die Gegenwart von Sauerstoff ist daher normalerweise extrem lebensfeindlich. Letzteres gilt jedoch nicht für RC-I-Archaea. Das RC-I-Genom kodiert für enzymatische Mechanismen, welche für methanogene Archaea bisher einzigartig sind und ihnen ein Überleben in sauerstoffhaltiger Umgebung ermöglichen. Zu diesen Mechanismen zählt ein umfassendes Besteck an Enzymen, welche hochreaktive Sauerstoffverbindungen, wie etwa das Superoxid-Anion oder Wasserstoffperoxid, schnell entgiften. Diese Verbindungen sind extrem toxisch für lebende Zellen.
In Gegenwart von Luftsauerstoff scheinen RC-I-Archaea, so die Wissenschaftler in Science, schnell auf einen Gärungsstoffwechsel umzuschalten, durch den aus Kohlenhydraten genügend Energie zur Lebenserhaltung gewonnen wird. Diese Fähigkeiten sind spezifische Anpassungen an das Leben im Wurzelraum der Reispflanze. Das Aerenchym der Reispflanzen erlaubt nicht nur die Emission von Methan, sondern auch die Diffusion von Luftsauerstoff in den Wurzelraum, so dass sich dort sauerstofffreie und sauerstoffhaltige Situationen schnell abwechseln können. Weitere spezifische Anpassungen des RC-I-Archaeons an diesen Lebensraum sind seine alternativen Fähigkeiten zur Assimilation von Stickstoff und die vermutliche Fähigkeit, Sulfat als Schwefelquelle nutzen zu können.
Sauerstofftoleranz sichert Überlebensvorteil
Die Fähigkeit der RC-I-Archaea die Gegenwart von Luftsauerstoff zu tolerieren, scheint dieser Organismengruppe nicht nur im Reisfeldboden einen Überlebensvorteil zu bieten. So wurden RC-I-Archaea durch kultivierungsunabhängige Untersuchungen vor allem in jenen Methan produzierenden Ökosystemen nachgewiesen, wo sich sauerstofffreie und sauerstoffhaltige Bedingungen abwechseln. Neben Reisfeldern sind dies tropische Böden, Moorgebiete der borealen Zone und auch periodisch geflutete Uferbereiche.
Das entschlüsselte RC-I-Genom bietet nun die Basis, um molekularbiologische Methoden für das Monitoring der Aktivität von RC-I-Archaeen in ihren natürlichen Standorten zu entwickeln. Inwieweit es langfristig möglich sein wird, die Methan-Produktion der RC-I-Archaea gezielt zu reduzieren und damit die Methan-Emission aus Reisfeldern und anderen Standorten zu reduzieren, können die Forscher jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
Das Projekt wurde durch die Max-Planck-Gesellschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt.
(MPG, 25.07.2006 – DLO)