GeoUnion

Arzneistoffe aus dem Meer

Marine Mikroorganismen liefern Wirkstoffe für neuartige Therapeutika

Schwamm im Meer - Fundgrube für die Arzneimittelforschung © V. Thiel (IFM Geomar)

Ob Diabetes, Krebs oder Infektionskrankheiten durch Bakterien, Pilze und Viren – der Bedarf an neuen Medikamenten steigt weltweit stetig an. Auf der Suche nach neuen Wirkstoffen rücken nun auch zunehmend Meeresorganismen ins Zentrum der Wissenschaft. Denn im Gegensatz zu den seit Jahrzehnten gut erforschten terrestrischen Organismen, verbirgt sich in Meeresorganismen vermutlich noch eine Vielzahl bislang unbekannter Wirkstoffe. So konnte beispielsweise im Kompetenzzentrum BIOTECmarin erst unlängst eine Substanz aus einem Pilz gewonnen werden, die Leukämiezellen im Wachstum hemmen kann.

„Unter den Bedingungen im Meerwasser spielen chemische Substanzen als Vermittler von Signalen und auch als Abwehrstoffe eine große Rolle“, erklärt Professor Johannes Imhoff vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR. Bedeutsam sind diese natürlichen Wirkstoffe beispielsweise bei der Abwehr von Feinden, dem „Erlegen“ von Beute durch Gifte oder aber bei den Konkurrenz- und Verdrängungsprozessen zwischen Mikroorganismen. „Da Bakterien und Pilzen hierzu wirksame Antibiotika produzieren, ist es nicht verwunderlich, dass Meeresorganismen eine wahre Fundgrube an neuen Wirkstoffen mit therapeutischem Potential sind“, fügt Imhoff hinzu.

Abwehr durch Zusammenarbeit

Die Mehrzahl der bislang gefundenen Substanzen konnten die Wissenschaftler bislang in Schwämmen, Manteltieren und Moostierchen nachweisen. Das Besondere daran ist, dass viele der Wirkstoffe nicht direkt von den erwähnten Lebewesen hergestellt werden. Vielmehr sind hierfür Mikroorganismen verantwortlich, die in, auf oder mit den Tieren leben. Auch wenn bislang nicht alle Einzelheiten dieser Zusammenarbeit geklärt sind, so gehen viele Forscher inzwischen davon aus, dass beispielsweise einige der mit Meeresschwämmen assoziierten Mikroorganismen spezifische Abwehrstoffe bilden, die sie zum Wohle dieses Schwammes produzieren.

Agarplatte mit Bakterienkolonien aus dem Meer © J. Wiese (IFM Geomar)

So enthalten viele Schwämme, wie zum Beispiel Halichondria panicea und Ircinia fasciculata, eine große Anzahl und eine hohe Vielfalt an Bakterien in ihrem Inneren. „Von einem Pilz, der aus einer Ircinia isoliert wurde, konnte im Kompetenzzentrum BIOTECmarin in der Tat eine neue Substanz gewonnen werden, die spezifisch Leukämiezellen im Wachstum hemmt“, erklärt Imhoff die große Bedeutung dieser Mikroorganismen. Um diese viel versprechenden Ansätze weiter zu verfolgen, wurde daher am IFM-Geomar in Kiel im Jahr 2005 das Zentrum für Marine Wirkstoffe gegründet. Die Wissenschaftler verfolgen hier das Ziel, neuen Wirkstoffen aus marinen Mikroorganismen durch biologische und chemische Analysen auf die Spur zu kommen.

Mikroorganismen bevorzugt

„Die Entscheidung sich gezielt marinen Mikroorganismen zuzuwenden, hat zwei sehr wichtige Gründe“, erklärt Imhoff. „Zum einen ist die Vielfalt gerade von Mikroorganismen im Meer besonders hoch und viele von ihnen produzieren Wirkstoffe. Zum anderen lassen sich Mikroorganismen im Labor gut züchten, so dass die Wirkstoffe, die sie bilden, auch in großen Mengen umweltschonend produziert werden können“, so Imhoff weiter. Denn im Gegensatz dazu ist das Sammeln von Schwämmen, Korallen und Manteltieren aus dem Meer in großen Mengen ökologisch höchst bedenklich und ihr Marikultur erfahrungsgemäß sehr problematisch.

Einzelkolonie eines bestimmten Bakterium aus der Gruppe Streptomyces © S. Neulinger (IFM Geomar)

Entsprechend verfügt das Zentrum inzwischen auch über eine weltweit einzigartige Sammlungen mariner Bakterien und Pilze, von denen ein beachtlicher Anteil biologisch-aktive Stoffe ausscheidet. Diese stellen eine wertvolle Quelle für die Suche nach neuen Wirkstoffen dar. Die Kernaufgaben des Wirkstoffzentrums bestehen in der Erforschung der biologischen Rolle von Wirkstoffen in den natürlichen Lebensgemeinschaften und in der Entwicklung neuer Wirksubstanzen zu Produkten für die pharmazeutische und medizinische Anwendung. Daher werden nicht nur große Zahlen an Mikroorganismen isoliert und identifiziert, sondern auch vielfältige Testsysteme für therapeutisch relevante Aktivitäten herangezogen, um eine größtmögliche Chance auf ein marktfähiges Produkt zu erreichen. Der Weg vom Wirkstoff bis zum Medikament ist aber weit und wird daher gemeinsam mit verschiedenen Forschungs- und Industriepartnern betrieben.

Nähere Informationen: IFM Geomar – Marine Mikrobiologie

(Johannes F. Imhoff (IFM Geomar), 21.07.2006 – AHE)

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