Wissenschaftler haben erstmals aufgedeckt, wie Stammzellen ihre DNA vor schädlichen Mutationen schützen. Gleichzeitig präsentierten sie damit Belege für die bisher umstrittene „Unsterblichkeit“ des Stammzell-Erbguts. Der an adulten Muskelstammzellen entdeckte und jetzt in „Nature Cell Biology veröffentlichte Mechanismus hat bedeutende Auswirkungen sowohl auf die Krebsforschung als auch auf die Möglichkeiten, Stammzellen für therapeutische Zwecke im Labor zu züchten.
Wenn eine Zelle sich teilt, wird ihre DNA dupliziert und jede der Tochterzellen erbt eine Mischung aus kopierten und Original-Bestandteilen des Erbguts. Mit der Zeit können jedoch Fehler bei diesem Kopiervorgang zu Veränderungen im genetischen Code, Mutationen, führen, die unter anderem auch Krebs auslösen können.
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Jetzt haben Wissenschaftler des europäischen Forschungskonsortiums EuroStemCell am Pasteur Institut in Paris mithilfe von speziellen Videotechniken gezeigt, dass Stammzellen bei ihrer Teilung einen eigenen, von dem anderer Zellen verschiedenen Mechanismus besitzen: Sie behalten das komplette Original der Mutter-DNA und nur eine der beiden Tochterzellen erbt die – möglicherweise durch fehlerhafte Duplikation schadhafte – DNA-Kopie. Damit bleibt die Original-DNA in diesen Stammzellen über viele Zellgenerationen hinweg erhalten – sie ist quasi „unsterblich“.
Erreicht wird dies im Rahmen der asymmetrischen Zellteilung der Stammzelle: Wenn sie sich teilt, bleibt eine Tochterzelle eine Stammzelle, die andere jedoch wird zu einer sich ausdifferenzierenden Körperzelle. Auf diese Weise bleibt die Zahl der Stammzellen im Körper stabil und gleichzeitig ist sichergestellt, dass auch bei Erwachsenen immer ein Reservoir an Stammzellen für die Regeneration von Zellen und Geweben bereitsteht.
Wie die Forscher um Shahragim Tajbakhsh jetzt anhand ihrer Aufnahmen zeigen konnten, erbt bei der nun beobachteten asymmetrischen Teilung nur die zukünftige Körperzelle die DNA-Kopie, die als Stammzelle weiterlebende zweite Tochterzelle behält dagegen das DNA-„Original“ der Mutterzelle. „Die Theorie der unsterblichen DNA hat die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler seit vielen Jahrzehnten gefesselt, aber sie war extrem schwer zu beweisen“, erklärt Tajbakhsh. „Indem wir Skelettmuskel-Stammzellen aus Mausmuskelfasern isoliert und ihre Entwicklung verfolgt haben, sowohl in vivo als auch in der Petrischale, haben wir gezeigt, dass die DNA-Stränge der Doppelhelix nicht äquivalent sind. Und wir haben dieses Phänomen mit dem Mechanismus der allgemeinen Asymmetrie der sich teilenden Zelle in Verbindung gebracht.“
“Dies ist ein aufregende Entdeckung, da es einer der grundlegenden Regeln der Zellbiologie und Genetik zu widersprechen scheint: dass genetisches Material bei der Teilung zufällig verteilt wird“, ergänzt der Forscher. „Es scheint, dass die zelluläre Maschinerie Alt von Neu unterscheiden kann, wenn es um die DNA geht und diesen Unterschied nutzen kann, um den Körper vor Mutationen und Krebs zu schützen.“
(EuroStemCell (the European Consortium for Stem Cell Research), 26.06.2006 – NPO)