Ein echtes Drama für viele Fischliebhaber: Der Matjes ist noch nicht da, der Start der Saison muss um drei Wochen verschoben werden! Woran liegt es? "Der lange Winter!" "Der kalte Mai!" "Das viel zu kalte Nordseewasser!" So schallt es entlang der Küste, durch die Gourmet-Tempel und durch den Blätterwald. Ist das wirklich so? Experten der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Hamburg sehen das anders.
"Vergleicht man die Oberflächentemperaturen der Nordsee von Mitte Mai 2006 mit den Mittelwerten über den Zeitraum 1900 bis 1966 für den Monat Mai, zeigt sich, dass die Nordseeoberfläche sogar noch etwas wärmer ist als im langjährigen Mittel, um rund ein halbes Grad“, erklärt Gerd Wegener vom Institut für Seefischerei. Da der vergangene Winter auch nicht kälter war als im langjährigen Mittel, liegen die derzeitigen Bodentemperaturen der Nordsee ebenfalls noch leicht über den Mittelwerten. Damit hat der Hering auch sein "mittleres Futter" bekommen.
Was ist also los? Die ungeduldigen Gourmets sind Opfer ihrer eigenen Vergesslichkeit geworden: Im letzten Jahrzehnt hatten die Nordseetemperaturen nach den "grünen Wintern" im Mai überdurchschnittlich hohe Werte erreicht gehabt, so dass die entsprechenden Heringe schon früher für die Matjesproduktion genommen werden konnten. Das war außergewöhnlich und kann nicht jedes Jahr erwartet werden. Die bis ins Mittelalter zurückreichenden Heringsordnungen, die dem Heringsfang und der Salzheringsproduktion zugrunde liegen, besagen klugerweise, dass "vor Johanni", dem 24. Juni, kein Hering zur Qualitäts-Handelsware "Salzhering" – und damit auch nicht zu Matjes – verarbeitet werden dürfe.
(Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des BMELV, 08.06.2006 – AHE)