Paläontologie

„Mini-Dinos“ im Harz entdeckt

Mini-Fossilien als Zwerg-Dinosaurier entschlüsselt

Dinosaurier im Modell © Dinopark Münchehagen

Einen rätselhaften Knochenfund in einem Steinbruch im Harz haben Paläontologen nun entschlüsselt: Es sind die Überreste der kleinsten Riesendinosaurier, die je gefunden wurden. Entgegen der bisherigen Vermutung handelt es sich bei den ungewöhnlich kleinen Dinosaurierfossilien nicht um die Überreste von Jungtieren, sondern um ausgewachsene Exemplare. Mit einem geschätzten Maximalgewicht von einer Tonne waren sie vermutlich nur knapp ein Fünfzigstel so schwer wie ihre nächsten Verwandten, die Brachiosaurier. Die Ergebnisse der Studie erscheinen in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“.

In Dino-Knochen gibt es so genannte Wachstumsmarken, ähnlich wie Jahresringe bei Bäumen. In der Jugend liegen sie vergleichsweise weit auseinander, weil das Tier noch schnell wächst. Hat der Saurier seine Maximalgröße erreicht, rücken die Marken entsprechend eng aneinander. "Und genau diese dicht gedrängten Marken haben wir knapp unter der Oberfläche der fossilen Knochen entdeckt", sagt der Bonner Paläontologe Martin Sander, einer der wenigen Experten weltweit für die Feinstruktur der Dino-Gebeine.

"Die Tiere müssen also ausgewachsen gewesen sein, als sie starben." Damit ist die neu entdeckte Gattung im Vergleich zu den übrigen Riesendinosauriern ein Zwerg: Die Tiere wurden kaum länger und schwerer als ein Pkw. "Bei sechs Metern Länge und einer Tonne Körpermasse war Schluss", schätzt Sander. Ihre Verwandten wurden hingegen bis zu 45 Meter lang und brachten 80 Tonnen auf die Waage – soviel wie die Bewohner einer Kleinstadt mit über 1.000 Einwohnern. Sie sind die größten Landtiere, die jemals gelebt haben.

Miniaturisierung durch geringes Nahrungsangebot

Schon seit ihrer Entdeckung im Jahr 1998 galten die 150 Millionen Jahre alten Knochenfunde als wissenschaftliche Rarität: Zu jener Zeit lagen weite Teile Deutschlands unter Wasser. Nur wenige Inseln erhoben sich über den Meeresspiegel – so auch die Region um Oker. Dinosaurier sind aber Landtiere; entsprechend selten sind Fossilfunde in Deutschland. Gerade diese Situation ist aber der Grund dafür, dass die "Saurier-Pygmäen" entstanden: Als der Meeresspiegel stieg und mehr und mehr Land den Fluten zum Opfer fiel, wurden die Nahrungsressourcen knapp. "Daher entstand ein enormer Selektionsdruck: Kleine Tiere, die weniger Nahrung benötigten, hatten bessere Überlebenschancen", erklärt Nils Knötschke vom Dinosaurier-Freilichtmuseum Münchehagen, der mehr als 80 Prozent der gefundenen Knochen präpariert hat und auch die Ausgrabungen im Steinbruch leitete.

"Eine derartige Größenabnahme bei eingeschränktem Nahrungsangebot kann extrem schnell erfolgen, manchmal innerhalb von 10 oder 20 Generationen", bestätigt Sander. So hätten die Engländer einst Hirsche auf den Shetland-Inseln ausgesetzt, die sich binnen kurzer Zeit zu Zwergformen entwickelt hätten. Auf den Inseln des heutigen Indonesiens gab es gar Zwergelefanten, die mit 90 Zentimeter Schulterhöhe kaum größer waren als ein Bernhardiner – klein genug, um dem "Drachen des Orients", dem Komodo-Waran, als Nahrung zu dienen. Dazu passt auch ein Fund, den Wissenschaftler im vergangenen Jahr ebenfalls in der Zeitschrift "Nature" publizierten: Auf der indonesischen Insel Flores hatten sie 18.000 Jahre alte Knochen eines menschlichen "Zwergs" entdeckt. Dieser "Hobbit von Flores" wurde nur einen Meter groß.

Entdeckt wurden die Sensationsknochen bereits vor acht Jahren: Im September 1998 war der Hobby-Paläontologe Holger Luedtke im Steinbruch Langenberg bei Oker am nördlichen Harzrand auf Zähne und andere Überreste eines pflanzenfressenden Dinosauriers gestoßen. Das Tier erhielt den vorläufigen Namen "Hanna. "Hanna" wird nun einen neuen wissenschaftlichen Namen bekommen: Der Mini-Dino soll zu Ehren seines Entdeckers "Europasaurus holgeri" heißen.

(Universität Bonn, 08.06.2006 – AHE)

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