Etwa 200 Kilometer nördlich von Luxor in Ägypten liegt die bedeutende Tempelruine der Löwengöttin Repit, die mittlerweile von Archäologen zumindest teilweise freigelegt wurde. Wissenschaftler der Fachhochschule Bochum arbeiten dort zurzeit daran, die Anlage mithilfe von Photogrammetrie und Laserscanning berührungslos zu vermessen und ein 3D-Modell des Tempels zu erstellen.
Die Dokumentation unserer dreidimensionalen Realwelt stellt besondere Anforderungen an die zum Einsatz kommenden Messverfahren. Sowohl Größe und Form der Objekte, Möglichkeiten des Zugangs sowie der Detaillierungsgrad der Erfassung sprechen häufig für eine Nutzung berührungsloser Methoden.
Besonders anspruchsvoll ist die Objektdokumentation im Rahmen archäologischer Grabungen. Die Tempelruine der Löwengöttin Repit in Athribis beispielsweise ist ein circa 75 mal 45 Meter großes, teilweise freigelegtes Bauwerk, das seit einiger Zeit im Rahmen eines multidisziplinären Projektes mit internationaler Beteiligung erforscht wird. Unter der Federführung der Universität Tübingen ist die Fachhochschule Bochum für die vermessungstechnischen Aufgabenstellungen verantwortlich.
Im Untersuchungsgebiet liegen darüber hinaus beispielsweise der verschüttete Tempel Ptolemaios IX, ein Prozessionsweg sowie eine Begräbnis- und Weihestätte mit zahlreichen undekorierten, aber auch dekorierten Gräbern. Auch eine antike Stadtruine aus griechisch-römischer Zeit ist hier zu finden. Alle häufig noch farbigen Darstellungen und Inschriften sind durch Salzbefall, Witterungseinflüsse und teilweise unsachgemäße Restaurierung stark gefährdet.
Photogrammetrie im Einsatz
Die Fotografie ist in der Lage, solche Objekte bildhaft zu dokumentieren und deren Inhalte zu interpretieren. Sie liefert so die Grundlagen beispielsweise für Wissenschaftler und Bauforscher, um ein nachhaltiges Konzept zur Konservierung der archäologischen Funde zu entwickeln.
Die Fotografie bietet aber auch ideale Voraussetzungen, um quantitative Informationen abzuleiten. An dieser Stelle greift das Messverfahren „Photogrammetrie“, mit dessen Hilfe sich abgebildete Objekte dreidimensional messen lassen. Die Photogrammetrie greift von der Erfassung bis zur Auswertung ausschließlich auf digitale Komponenten zurück.
„Grundsätzlich kann mit jeder Digitalkamera aufgenommen werden, wobei aktuelle Messkameras in der so genannten Nahbereichsphotogrammetrie Fotos mit mehr als 30 MegaPixel Datenvolumen erzeugen“, erläutert Professor Dr. Heinz-Jürgen Przybilla vom Fachbereich Vermessungswesen und Geoinformatik der Fachhochschule Bochum.
Nach erfolgter fotografischer Aufnahme der archäologischen Fundstücke müssen die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt mithilfe von Computern die Kamerapositionen in Bezug auf die aufgenommenen Objekte im 3D-Raum berechnen. Ist dieser Schritt durchgeführt, steht einer dreidimensionalen Auswertung der hoch auflösenden Bilder nichts mehr im Wege.
Maßstabsgerechtes CAD-Modell erzeugt
„Am Ende steht ein dreidimensionales maßstabsgerechtes CAD-Modell, als Basis für die Erstellung von Plänen und Schnitten.“, so Przybilla. Zur Erzeugung eines derartigen Objektmodells wurden in Athribis Verfahren der Photogrammetrie mit denen des so genannten terrestrischen Laserscannings kombiniert. Seit circa fünf Jahren stehen solche Laserscanner für die Wissenschaft zur Verfügung. Sie ähneln in ihrem Aufbau den bekannten elektronischen Theodoliten (Tachymetern), mit denen Vermessungsingenieure Richtungs- und Streckenmessungen durchführen.
Die Laserscanner tasten in der Tempelruine die zu messenden archäologischen Objekte rasterförmig ab. „Das Messergebnis ist eine dreidimensionale Punktwolke, die aus mehreren Millionen Einzelpunkten bestehen kann und innerhalb weniger Minuten zur Verfügung steht“, beschreibt Przybilla die Ergebnisse des Messverfahrens. Darüber hinaus erfassen die Forscher als vierte Information den Intensitätswert des reflektierten Lasersignals.
Geometrische Dokumentation des Tempels geht weiter
Werden die Intensitätswerte der Punktwolke anschließend über ein Grauwert- oder Farbspektrum abgebildet, ergibt sich in Abhängigkeit von der Erfassungsdichte des Scanners ein nahezu fotografisches Bild des Objekts. „Das „Foto“ entspricht in seiner Struktur dem einer digitalen Bildaufnahme, verbindet jedoch jedes Pixel mit einer 3D-Koordinate“, so Przybilla.
Die durch Laserscanning erzeugte Punktwolke stellt ein „Rohprodukt“ dar, das im Rahmen nachfolgender Bearbeitung in CAD-Systemen in geometrische Objekte, z. B. Flächen oder Zylinder, überführt wird. Besonders filigrane und detailreiche bauliche Strukturen können über derartige Elemente nicht genügend präzise abgebildet werden. Hier wird eine alternative Vorgehensweise eingeschlagen, bei der das 3D-Modell der jeweiligen Objekte über eng vermaschte Dreiecke dargestellt wird.
„Die geometrische Dokumentation des Tempels der Göttin Repit steht erst am Beginn. Neben dem bisher erfassten Sanktuar ist eine weiträumige Vermessung der Tempelanlage einschließlich ihres Umfeldes geplant.“ beschreibt der Forscher die weitere Vorgehensweise. Bildgebende Messverfahren werden dabei eine tragende Rolle spielen.
(Heinz-Jürgen Przybilla, Fachhochschule Bochum, 19.05.2006 – DLO)