Biotechnologie

Bakterien: Neues Medikament stört „Volkszählung“

Mittel beeinträchtigt Informationsfluss zwischen Pseudomonas-Bakterien

Das Medikament Azithromycin (AZM) kann krankheitserregende Bakterien im Zaum halten: Es wirkt auf Keime der Gattung Pseudomonas aeruginosa, die besonders für lungenkranke Menschen gefährlich sind, und hindert sie daran, aggressiv und zerstörerisch zu werden. Das haben jetzt Wissenschaftler herausgefunden. AZM blockiert den Mechanismus, mit dem die Bakterien "messen", wie viele sie sind. Ergebnis: Die Erreger bekommen sozusagen gar nicht mit, wie zahlreich und stark sie bereits geworden sind – und schieben den großen Angriff weiter hinaus.

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Pseudomonas aeruginosa kann lästige und hartnäckige Lungeninfektionen verursachen. Zur schweren, oft tödlichen Bedrohung wird das Bakterium vor allem für Menschen, die an der angeborenen Krankheit Mukoviszidose leiden. Bei der Mukoviszidose ist die Lungenfunktion beeinträchtigt: das Abhusten von Partikeln und Bakterien mit dem Bronchialschleim funktioniert nicht im erforderlichen Maß.

Im zähflüssigen Lungensekret der Mukoviszidose-Patienten findet Pseudomonas aeruginosa günstige Lebensbedingungen und kann sich leicht festsetzen. "Viele Menschen mit dieser Erkrankung infizieren sich irgendwann mit Pseudomonas aeruginosa – und werden den Erreger dann nicht mehr los", erklärt Susanne Häussler von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Antimicrobial Agents and Chemotherapy.

Und weiter: "Pseudomonas aeruginosa ist bei ihnen die häufigste Todesursache." Viele, die sich den Keim einfangen, müssen für längere Zeit damit leben: "Antibiotika helfen oft nicht, weil sich Pseudomonas im zähen Bronchialschleim der Kranken regelrecht verschanzt."

Das Medikament AZM kann Pseudomonas aeruginosa zwar nicht abtöten, aber der Erreger bleibt vergleichsweise "gutartig" und geht nicht dazu über, Lungengewebe massiv und großflächig zu zerstören, was bei Muskoviszidose-Kranken meist zum Tod führt.

„Quorum Sensing“ der Bakterien gestört

Den zugrunde liegenden Mechanismus haben Häussler und ihre Forscherkollegen jetzt aufgeklärt. "AZM stört das so genannte Quorum Sensing der Bakterien", erklärt die Wissenschaftlerin, "also den Mechanismus, mit dem sie feststellen, wie dicht ihre Zellen bereits gewachsen sind." Erst ab einem gewissen Schwellenwert wird der Erreger "virulent": Er setzt nicht mehr auf unbemerktes Wachstum im Verborgenen, sondern breitet sich aggressiv aus und lässt es auf die Konfrontation mit dem menschlichen Immunsystem ankommen.

Die Erkenntnis, so glaubt Häussler, könnte langfristig bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen chronische Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa helfen: "In vielen Fällen ist es fast unmöglich, Pseudomonas in der Lunge von Mukoviszidose-Patienten ganz abzutöten", sagt die GBF-Forscherin.

"Aber wir können den Zustand der Patienten stabilisieren und ihre Chancen verbessern, wenn wir gezielt nach Substanzen suchen, die das Quorum Sensing der Erreger stören. Und wenn das Immunsystem lange genug Zeit hat, kann es in einigen Fällen sogar selbst wirkungsvoll gegen den Erreger vorgehen."

(idw – Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), 08.05.2006 – DLO)

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