Der Jacobshavn Isbræ ist einer der schnellsten und produktivsten Gletscher der Welt. Er wies über lange Zeit eine in etwa konstante Fließgeschwindigkeit von circa 20 Metern pro Tag auf und erzeugte dabei jährlich Eisberge im Gesamtvolumen von 30-40 Kubikkilometern. In den letzten Jahren konnten Wissenschaftler jedoch eine starke Erhöhung der Fließgeschwindigkeit beobachten. Gleichzeitig hat sich die Gletscherfront innerhalb von nur drei Jahren um zehn Kilometer zurück gezogen, wodurch eine Gesamtfläche von circa 100 Quadratkilometern verloren ging.
Um das geänderte Bewegungsverhalten zu analysieren, haben das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung sowie das Institut für Planetare Geodäsie der TU Dresden im Sommer 2004 eine Messkampagne am Jacobshavn Isbræ Gletscher durchgeführt. Im Rahmen der Messkampagne wurden von den Wissenschaftlern Bildsequenzen einer hochauflösenden Digitalkamera aufgenommen und ausgewertet. Diese Bildsequenzen zeigen in eindrucksvoller Weise das Bewegungsverhalten des Gletschers. Durch automatische Verfahren der photogrammetrischen Bildanalyse konnten die Dresdener Forscher aus den Bildsequenzen räumlich-zeitlich aufgelöste Geschwindigkeitsfelder im Bereich der Gletscherzunge bestimmen. Erstmals wurde dabei in Geschwindigkeitsmessungen am Jacobshavn Isbræ auch die Höhenkomponente der Gletscherbewegung erfasst.
Durch subpixelgenaue Messoperatoren können Bewegungen von wenigen Zentimetern in einer Entfernung von mehreren Kilometern zur Kamera aufgelöst werden. Bei einem aufgenommenen Gletscherausschnitt von circa zwei Kilometern Länge kann die tägliche Bewegung von Strukturen der Gletscheroberfläche mit einer Genauigkeit in der Größenordnung von 0,1-0,2 Prozent der Länge des Bewegungsvektors bestimmt werden, wobei die Genauigkeit vor allem durch die extreme Topographie der Gletscheroberfläche und den Einfluss von Schattenwurf limitiert wird.
Aus einer 24-Stunden Bildsequenz wurden an 1500 über die Gletscherzunge verteilten Punkten Bewegungsvektoren in halbstündigen Intervallen bestimmt. Die Resultate der Bildsequenzanalyse zeigen eine Fliessgeschwindigkeit von 35-40 Metern pro Tag im Bereich der Gletscherzunge, was beinahe einer Verdoppelung der Fliessgeschwindigkeit gegenüber Messungen der 90er Jahre entspricht. Damit werden Messungen der NASA aus dem Jahr 2003 bestätigt und fortgeführt. Aus den Messreihen ergibt sich zudem eine sehr deutliche Abhängigkeit der Höhenkomponente der Gletscherbewegung von den Meeresgezeiten. Damit wird erstmals bewiesen, dass die Gletscherzunge auf dem Fjord aufschwimmt.
Links:
Institut für Photogrammetrie der TU-Dresden
Maas, H.-G. Dietrich, D., Schwalbe, E., Bäsler, M., Westfeld; P., 2005: Photogrammetrische Bestimmung räumlich-zeitlich aufgelöster Bewegungsfelder am Jakobshavn Isbræ Gletscher in Grönland. Tagungsband DGPF-Jahrestagung, Rostock
(Hans-Gerd Maas/TU-Dresden, 05.05.2006 – AHE)