Schon seit langem gibt der historische Ausbruch des Vulkans auf der Insel Santorin in der Ägäis Archäologen und Naturwissenschaftlern Rätsel auf. Vor allem die genaue Datierung dieses Ereignisses ist bislang umstritten. Ein vor kurzem im verschütteten minoischen Dorf Akrotiri entdecktes Stück Olivenholz, das mit neuen Methoden untersucht wurde, hat jetzt für ein überraschendes Ergebnis gesorgt: Danach fand der Vulkanausbruch zwischen 1627 und 1600 vor Christus statt – 100 Jahre früher statt als bisher gedacht.
Die gewaltige Eruption auf Santorin vor rund 3.500 Jahren bedeckte ein weites Gebiet im östlichen Mittelmeer mit einem Ascheregen und schuf so eine universelle Zeitmarke für die Synchronisierung von Kulturen der späten Bronzezeit in dieser Region. Die verbreitete Tradition einer historischen Datierung des Vulkansausbruchs auf Santorin über Königslisten und astronomische Konstellationen, insbesondere für Ägypten, grenzten die Eruption bisher auf einen Zeitraum zwischen 1530 und 1500 v.Chr. ein.
Demgegenüber standen naturwissenschaftliche Datierungen, darunter Radiokarbondaten. Sie zweifelten dieses Datum an: Schwefel in Eiskernen aus Grönland und Proben aus Samen von der Insel Santorin ließen auf einen Ausbruch im 17. Jahrhundert v. Chr. schließen. Für eine zweifelsfreie Zeitangabe waren die Messungen jedoch nicht zuverlässig genug.
Olivenholz schafft Klarheit
Ein Stück Olivenholz konnte jetzt Klarheit schaffen. Der Fund stammt aus der Gegend des minoischen Dorfes Akrotiri, dem "Pompeji der Bronzezeit", das vor über 3.500 Jahren in Vulkanaschen versank. Gefunden wurde es von dem dänischen Geologiestudenten Tom Pfeiffer.
Mit neuen Methoden gelang es einem Forscherteam der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Universitäten Heidelberg, Hohenheim und Aarhus/Dänemark, das exakte Alter des gefundenen Olivenbaums zu bestimmen, der beim Ausbruch eingeschlossen wurde. Ergebnis: Die Archäologen haben sich in ihrer Zeitrechnung bislang um 100 Jahre geirrt.
Prekär ist der Fund des dänischen Geologiestudenten vor allem deshalb, weil der minoische Vulkanausbruch der Insel Santorin ein wichtiges geschichtliches Ereignis mit Auswirkungen bis nach China und Amerika darstellt. Archäologen benutzen diesen Einschnitt in der Menschheitsgeschichte als Fixpunkt in der Historie des östlichen Mittelmeerraumes.
Den Durchbruch brachte eine Kombination neuer Untersuchungsmethoden: "Bei dem Olivenholz handelt es sich um den Ast eines Baumes, der beim Vulkanausbruch lebend verschüttet wurde", erklärt der Paläobotaniker Michael Friedrich von der Heidelberger Akademie der Wissenschaft, der an der Universität Hohenheim im Institut für Botanik arbeitet. Mit einem Computer-Tomographen, ähnlich wie ihn auch Mediziner benutzen, gelang es den Forschern, mehr als 70 Jahresringe in dem über 3.500 Jahre alten Holz zu unterschieden.
Ergebnisse wichtig für Historiker
"Danach konnten wir aus mehreren Ringen Holzproben nehmen und über die Radiokarbon-Methode datieren", so Friedrich in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science. Dabei wird der Gehalt an C14, einer natürlichen Variante von Kohlenstoff gemessen, dessen Gehalt sich in der Natur im Laufe der Erdgeschichte immer wieder verändert hat. "Da wir wissen, wann der natürliche C14-Gehalt wie hoch war, können wir theoretisch zurückrechnen, wann der entsprechende Jahrring gewachsen ist", erklärt Bernd Kromer von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, die ihren Sitz am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg hat.
Bislang scheiterte die Methode daran, dass der Kohlenstoff-Gehalt in den Jahrhunderten um den Ausbruch mehrfach nach oben und unten schwankte, das bedeutet, für jedes Messergebnis gibt es mehrere Alter, die in Frage kommen. "In diesem Fall haben wir erstmals mehrere Messergebnisse aus verschiedenen Ringen, von denen wir exakt wissen, wie weit sie auseinander liegen", erklärt Friedrich. Auf diese Weise erhielten die Forscher ein mehrteiliges Puzzle-Stück, für das nur eine kurzfristige Zeitspanne als Alter in Frage kam.
"Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent können wir das Ende der Siedlung Akrotiri nun auf die Jahre 1627 bis 1600 vor Christus eingrenzen", bestätigt Kromer. "Damit schließen wir von naturwissenschaftlicher Seite aus, dass der Ausbruch über die bisher etablierten Verknüpfungen mit der historischen ägyptischen Chronologie datiert werden kann. Vielmehr müssen die historischen und kulturellen Beziehungen der vielfältigen Kulturen der Spätbronzezeit im östlichen Mittelmeer neu untersucht und interpretiert werden."
(idw – Heidelberger Akademie der Wissenschaften, 28.04.2006 – DLO)