Die Energiewirtschaft wird bis 2012 voraussichtlich weit über zwanzig Milliarden Euro in neue Kraftwerke und das Stromnetz investieren. Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sind weitere 33 bis 40 Milliarden Euro vorgesehen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse des gestrigen Energiegipfels im Kanzleramt, an dem Vertreterinnen und Vertreter von Regierung, Wirtschaft und Verbrauchern teilnahmen.
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Damit könne sich Deutschland international auch "deutlich als Motor technologischer Entwicklungen positionieren", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen in Berlin. "Wir wollen Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit in ein vernünftiges Gleichgewicht bringen", so Merkel.
"Die Zukunft unseres Landes hängt von einer wirtschaftlichen, sicheren und umweltfreundlichen Energieversorgung ab", sagte Merkel weiter. Auf der Basis der Ergebnisse vom Montagabend will die Bundesregierung nun bis Mitte kommenden Jahres ein energiepolitisches Gesamtkonzept für die Zeit bis zum Jahr 2020 entwickeln. Es soll nach Angaben der Koalition dazu beitragen, die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern, einen weiteren Preisanstieg zu verhindern und die umweltpolitischen Herausforderungen im Blick zu behalten.
Höhere Forschungsmittel für mehr Effizienz
Im Rahmen der Veranstaltung kündigte Bundesforschungsministerin Annette Schavan an, die Mittel für Energieforschung bis 2009 um zwei Milliarden Euro zu erhöhen. Damit soll die weitere Erforschung aller Energieträger gefördert werden, stellte Merkel in Aussicht.
Bei der Entwicklung eines nachhaltigen Energiekonzepts müsse auch beantwortet werden, wie der vereinbarte Ausstieg aus Kernenergie substituiert werden könne, so Merkel. Darüber werde man weiter diskutieren, was die Einzelheiten des Atomausstiegs angeht, vermutlich kontrovers. Das Spitzengespräch vom Montagabend soll den Auftakt zu weiteren energiepolitischen Spitzengesprächen bilden.
NABU legt 5-Punkte-Plan für eine klimaschonende Energieversorgung vor
Im Vorfeld des Spitzengesprächs im Kanzleramt hatten Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie der NABU die Bundesregierung davor gewarnt, der Energiewirtschaft Zusagen zu machen, die den Umbau zu einer klimaschonenden Energieversorgung blockieren. "Jede Entscheidung, die auf Besitzstandswahrung für die Energiekonzerne hinausläuft, wird die deutsche Klimapolitik früher oder später an die Wand fahren", sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Die Energiepolitik brauche vielmehr mutige Entscheidungen, die einem Paradigmenwechsel gleich kommen. "Zukünftig darf nicht mehr die Frage dominieren, welche Klimaschutzziele wir uns setzen dürfen, ohne unsere Energieversorgung zu gefährden, sondern wie wir die Energieversorgung umstellen müssen, um die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen", sagte Tschimpke.
Der NABU legte in diesem Zusammenhang einen 5-Punkte-Plan vor, der die wichtigsten notwendigen Richtungsentscheidungen für die zukünftige Energiepolitik skizziert. "Ganz oben steht dabei der Atomausstieg, der ein entscheidendes Etappenziel beim Umbau unserer Energieversorgung darstellt", so Tschimpke. Laufzeitverlängerungen mit Klimaschutz zu begründen sei unzulässig, da ein Festhalten an der Atomenergienutzung in Wirklichkeit langfristigen Klimaschutz blockiere. Weiter spricht sich der NABU für den konsequenten Ausbau Erneuerbaren Energien aus sowie gegen den Neubau von Kohlekraftwerken ohne Kraft-Wärme-Kopplung und Kohlendioxid-Abscheidung.
WWF-Studie: Deutsche wollen mehr Klimaschutz
Eine neue FORSA Umfrage, die der WWF zum gestrigen Energiegipfel vorstellte, kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass mehr als 70 Prozent der Bevölkerung von der Bundesregierung ein stärkeres Engagement beim Klimaschutz fordern. Die Naturschutzorganisation wertet die Umfrageergebnisse als Signal, den Klimaschutz stärker in die energiepolitische Diskussion zu integrieren.
“Wenn man sich mit den Betreibern der größten CO2-Schleudern an einen Tisch setzt, um über Energiepolitik zu diskutieren, muss man den Klimaschutz in den Vordergrund rücken“, forderte Matthias Kopp, Energiereferent beim WWF Deutschland.
Kopp kritisierte insbesondere, dass die Stromversorger bei den anstehenden Investitionen erneut stark auf Kohlekraftwerke setzen wollen. Der Sektor ist in Deutschland für rund 40 Prozent des Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Baue man neue Braun- und Steinkohlekraftwerke werde es nicht gelingen, den Ausstoß an Treibhausgasen auf ein Klima verträgliches Niveau zurückzufahren.
In der Bevölkerung ist der fossile Energieträger der WWF-Umfrage zufolge nur wenig angesagt. Auf die Frage, welchen Energieträger sie bevorzugen würden, entschieden sich nur neun Prozent der Befragten für die Kohle. Die Ablehnung ist tendenziell bei den Jüngeren größer und insbesondere Familien halten die Anstrengungen der Bundesregierung zum Klimaschutz und damit zur Generationengerechtigkeit für ungenügend. 74 Prozent der Befragten wünschen sich hingegen Energie aus erneuerbaren Quellen. Bei den unter 30-Jährigen ist dieser Wunsch sogar noch weiter verbreitet. Hier favorisieren 81 Prozent Energie aus Sonne, Wind und Wasserkraft.
Für den WWF liefert die Umfrage weitere Argumente, um auf saubere Energien umzuschalten. Derzeit inszenierten die Energiekonzerne jedoch ein Szenario, um sich beim Klimaschutz aus der Verantwortung zu stehlen. Während die Stromversorger weitere Milliardengewinne einstreichen, werde der Klimaschutz auf die kleinen Leute abgewälzt, die sich auf steigende Strompreise einstellen müssten. Hier gelte es anzusetzen. “Klimaschutz und Energiepolitik sind zwei Seiten derselben Medaille“, so der WWF. Zukünftig müsse dies bei allen Entscheidungen in der Energiepolitik bedacht werden. Die Mitwirkung der Umweltverbände und unabhängiger Experten in den geplanten Arbeitskreisen sei dringend erforderlich.
(Bundesregierung Online, WWF, NABU, 04.04.2006 – DLO)