Etwa 500 Meter tief soll das Loch werden, das derzeit in die Gesteinsschichten des Heidelberger Beckens gebohrt wird. Die Forscher hoffen, dadurch eine der mächtigsten und vollständigsten Schichtenfolgen aus dem festländischen Quartär Mitteleuropas zu erschließen. Damit könnten sie unter anderem die Entwicklungs- und Klimageschichte des Rheingrabens der letzten drei Millionen Jahre zurückverfolgen.
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Seit dem 16. Februar 2006 frisst sich der Bohrer am Sportzentrum der Universität Heidelberg in die Tiefe. Unter ihm liegt das so genannte „Heidelberger Loch“, ein besonders interessanter Abschnitt des Rheingrabens. Kies, Sand, Ton und organische Reste, im Laufe der Zeit von Neckar und Rhein abgelagert, tragen sozusagen Signale aus der Vergangenheit des Klimas in sich. Und die sind wechselhaft. Für die untersten Schichten der Bohrung erwarten die Wissenschaftler Anzeiger für subtropisch warmes Klima. Ganz oben liegen Sedimente aus der Zeit der Vergletscherungen im mittleren und jüngeren Pleistozän. Heutige Verhältnisse liegen mit ihren gemäßigt warmen Temperaturen dazwischen. Zwei weitere Bohrungen werden zurzeit schon abgeteuft, wie es auf „geologisch“ heißt, und zwar im hessischen Viernheim (350 Meter tief) und im pfälzischen Ludwigshafen (300 Meter tief).
Ungestörte Schichten
„Hier im Heidelberger Loch liegen die Schichten noch horizontal, wie sie einst abgelagert wurden, das macht diese Stelle so interessant für uns. So können wir die Daten gut mit den beiden anderen, etwas weniger tiefen Bohrungen des Projekts verknüpfen“, erläutert Dr. Dietrich Ellwanger vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau im Regierungspräsidium Freiburg. Zwei weitere Geologische Dienste – das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie und das Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz – sowie das Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben in Hannover sind ebenfalls an dem Projekt beteiligt.
„Wir erhoffen uns zwei Dinge von dieser Bohrung“, so Ellwanger. „Eine möglichst vollständige Abfolge der Schichten und Informationen über die unterschiedlichen Klimazyklen“. Doch das wird nicht so einfach sein, denn das Material, durch das gebohrt wird, besteht zu einem guten Teil aus lockeren Sedimenten. Trifft der Bohrer darin auf einen Gesteinsbrocken, der größer ist als der Durchmesser der Bohrung, kann dieser sich verdrehen und somit die Sedimentabfolge stören. Brocken, die kleiner sind als der Durchmesser des Bohrloches können aus der Wand brechen und hineinfallen und Bohrgestänge oder Messgeräte blockieren.
45 Millionen Jahre altes Grabensystem
Der Rheingraben zählt neben dem Ostafrikanischen und dem Jordangraben zu den markantesten Grabensystemen der Welt. Seine Geschichte beginnt vor etwa 45 Millionen, als sich ein Riss in der Kontinentalplatte öffnete. In der Folge zerbrach die absinkende Ebene des Oberrheins in unterschiedlich große Schollen, die Seitenränder wurden mehrfach angehoben – zuletzt so, wie wir sie unter anderem als Odenwald, Schwarzwald und Vogesen kennen. Der jüngere Abschnitt der Grabenbildung ist eine Reaktion auf die sich auftürmenden Alpen. Diese hoben sich, da die afrikanische Platte auf ihrem Weg nach Norden Druck auf die Europäische Platte ausübte.
Sowohl die Hochländer am Grabenrand als auch die Alpen waren durch ihre exponierte Lage verstärkt der Verwitterung ausgesetzt. Der Schutt und das abgetragene Material sammelte sich an der tiefsten Stelle – im Rheingraben. Etwa 19.000 Kubikkilometer sind so zusammengekommen. Schicht um Schicht und mit vielen Informationen, die jetzt aus der Tiefe gewonnen werden können.
(Kirsten Achenbach, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder, 31.03.2006 – AHE)