Unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, kooperieren viel besser miteinander als bisher vermutet. Dies haben jetzt Forscher vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in einer neuen Studie nachgewiesen, über die sie in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science berichten.
In ihren Versuchen stellten Alicia Melis und ihre Kollegen Schimpansen vor die Aufgabe, an zwei Enden eines Seils gleichzeitig zu ziehen, um auf diese Weise an ein Holzbrett mit Futter zu gelangen. Die Affen ließen sich nur dann von Artgenossen helfen, wenn sie die beiden Seilenden nicht alleine greifen konnten. Doch dann wählten sie sich den jeweils effektivsten Helfer aus.
„Niemals zuvor haben wir bei Tieren ein so hohes Maß an Verständnis für kooperatives Handeln festgestellt“, so Melis.
Kooperation lebenswichtig
Kooperation ist im Tierreich überlebenswichtig. Raubtiere jagen in Rudeln und Beutetiere tun sich zusammen, um sich zu schützen. Diese Art von Kooperation setzt aber nicht unbedingt große Denkleistungen voraus. Denn wenn jedes Tier einer Gruppe dasselbe Ziel verfolgt und darauf gleichzeitig hinarbeitet, kann die gemeinsame Anstrengung „zufällig“ zum Erfolg führen.
Kein anderes Lebewesen jedoch kooperiert so erfolgreich wie wir. Woher aber kommt diese Fähigkeit einander bewusst zu helfen und ist sie nur auf uns Menschen beschränkt? Dies sollten die Experimente des Forscherteams in einer Schimpansenwaisen-Station auf Ngamba Island in Uganda zeigen.
Und die Ergebnisse der Wissenschaftler waren erstaunlich: In der neuen Studie verstanden die Schimpansen nicht nur, wann sie Hilfe brauchen. Sie waren sich auch der Rolle des anderen bewusst und wählten denjenigen Partner aus, mit dem sie lieber zusammen arbeiten wollten.
Bessere und schlechtere Helfer
In der Studie mussten die Schimpansen an zwei Enden eines Seiles ziehen, um an ein mit Futter beladenes Holzbrett zu gelangen, welches mit dem Seil verbunden war. Dabei sollten die Tiere an beiden Enden gleichzeitig ziehen, da sich das Seil sonst aus der Verankerung lösen würde. Melis fand heraus, dass Schimpansen nur dann einen Partner in den Versuchsraum ließen, wenn die Seilenden so weit voneinander entfernt waren, dass ein einzelner die Aufgabe nicht lösen konnte.
„Sie mussten nicht nur wissen, wann sie Hilfe brauchten, sondern diese sich auch selbst herbeiholen.“, so Melis. „Dann mussten sie warten, bis der Helfer den Raum betritt und gleichzeitig mit ihm am Seil ziehen. Dazu mussten sie wirklich verstanden haben, wozu sie den Partner brauchen.“
Wie beim Menschen gibt es auch unter Affen bessere und schlechtere Helfer. Mawa, der dominante Schimpanse, war kein besonders guter: Er wartete nicht auf seinen Partner und zog oft zu früh am Seil, so dass es sich aus der Verankerung löste. Bwambale hingegen war ein sehr guter Helfer. Er wartete immer auf seinen Partner und zog das Futterbrett fast immer erfolgreich heran. Zunächst wählten die Schimpansen Mawa und Bwambale gleichermaßen als Partner. Sobald sie aber gemerkt hatten, was für ein hoffnungsloser Fall Mawa war, entschieden sie sich schon beim nächsten Versuch für Bwambale.
Effektivere Helfer bevorzugt
Melis war von den Ergebnissen begeistert. „Dies ist die erste Studie, in der sich Schimpansen entscheiden können, mit wem sie kooperieren möchten. Wir fanden heraus, dass Schimpansen besonders effektive Helfer bevorzugen. Schimpansen erinnern sich also genau, wer ein guter und wer ein schlechter Helfer ist. Schlechte werden beim nächsten Mal nicht mehr ausgewählt.“
Die hier von Schimpansen gezeigte Fähigkeit zur komplexen Kooperation bedeutet möglicherweise, dass der gemeinsame Vorfahre von Menschen und Schimpansen diese Eigenschaft bereits vor etwa sechs Millionen Jahren besaß. Dennoch zieht Melis eine deutliche Trennlinie zwischen der Kooperation bei Schimpansen und der bei Menschen.
„Es ist noch nicht belegt, dass Schimpansen miteinander über ein gemeinsames Ziel kommunizieren, wie es bereits sehr kleine Kinder tun. Es ist ebenfalls nicht belegt, ob Schimpansen lernen können, wer ein guter Partner ist, indem sie sein Verhalten anderen gegenüber beobachten. Wir denken jedoch, dass Schimpansen, die miteinander kooperieren, mehr verstehen, als wir bisher annahmen. Zukünftige Studien werden uns hoffentlich zeigen, was genau menschliche Kooperation so einzigartig macht.“
(MPG, 03.03.2006 – DLO)