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Cryosols: Die Böden der Mitternachtssonne

Kälte- und Kohlenstoffspeicher im Permafrost

Cryosol - Bodentyp im Permafrost © Gabriele Broll

Vom Permafrost beeinflusste Böden, die so genannten Cryosols, bedecken rund ein Viertel der Erdoberfläche. Ob Kanada, Russland oder Antarktis: die Kälte beeinflusst nicht nur das menschliche Leben sondern auch die Böden. Doch die Kälte- und Kohlenstoffspeicher drohen aufzutauen und könnten so das globale Klimagefüge zusätzlich zur weltweiten Erwärmung ins Wanken bringen.

Wer bei Dauerfrostboden nur an Schnee und Eis denkt, der hat weit gefehlt. Denn der so genannte Cryosol, wie der vom Permafrost beeinflusste Bodentyp wissenschaftlich genannt wird, weist zwar niedrige Temperaturen auf, muss aber nicht zwingend vereist sein. Zudem ist Permafrost nicht gleich Permafrost: je nach Region, Klima und Relief gibt es Zonen, in denen Permafrost kontinuierlich, diskontinuierlich, sporadisch oder sogar nur isoliert vorhanden ist. Vor allem im Sommer taut der Boden an der Oberfläche auf und friert entweder in den Nächten oder im Winter wieder zu. Es bildet sich eine sogenannte Auftauschicht (active layer), die zusammengepresst wird, wenn es wieder kälter wird. Es beginnt an der Oberfläche zu frieren, und da das Bodenmaterial aufgrund des Permafrostes auch nicht nach unten ausweichen kann, wird es in Bewegung gebracht. Dadurch entstehen im Boden besondere Formen, wie zum Beispiel runde oder spiralförmige Gebilde, an denen man Cryosols erkennt.

Kryoturbationen: Der Lift im Boden

Durch die Gefrier- und Auftauprozesse beginnt das Bodenmaterial zu zirkulieren und unterschiedliche Bodenhorizonte werden vermischt. Auch große Steine können so verlagert werden. Dieses Phänomen der Frostmusterböden stellte die Wissenschaftler lange Zeit vor ein Rätsel, doch heute kennt man die Ursachen: Je nach Korngrößen, Porenvolumen und Wassergehalt friert der Boden nach dem Auftauen unterschiedlich schnell wieder zu. Da sich das Bodenwasser beim Gefrieren jedoch ausdehnt, übt das entstehende Eis einen Druck auf seine Umgebung aus. Millimeter für Millimeter bewegen sich so die Partikel und bilden an der Oberfläche zum Teil bizarre Muster. Manchmal sind an Standorten mit Kryoturbationen auch so genannte Eiskeile entstanden, die aus purem Eis bestehen.

Verbreitungskarte der vom Permafrost beeinflussten Böden auf der Nordhalbkugel. © Tarnocai C., et.al. (2001): Northern Circumpolar Soils, Agriculture and Agri-Food Canada, Ottawa

Wissenschaftlich lassen sich die Böden in organische und mineralische Cryosols unterscheiden, wobei man die mineralischen nochmals in statische und turbate (durchmischte) differenziert, in denen Kryoturbation erfolgt. Falls sich diese turbaten Böden an einem Hang befinden, kann sich das Material zumindest während einiger Wochen in den kurzen Sommern den Hang hinunter bewegen. Es entsteht Solifluktion. Die organischen Cryosols sind wie unsere Moorböden, nur dass sie sehr niedrige Temperaturen aufweisen und in der Regel gefroren sind.

Kohlenstoffspeicher im Untergrund

Als Besonderheit können Cryosols große Mengen an Kohlenstoff speichern, weil sie durch das Gefrieren organische Substanz konservieren. Die höchsten Mengen, die um ein Vielfaches höher sind als in den mineralischen Böden der gemäßigten Zone in Mitteleuropa, findet man in den durchmischten Cryosols der kontinuierlichen Permafrostzone. Denn hier wird der Kohlenstoff nicht nur im Oberboden sondern durch die Turbation auch im Unterboden gespeichert.

Bodenuntersuchung im Permafrost © Gabriele Broll

Daher spielen diese Böden auch eine so große Rolle im Rahmen des weltweiten Klimawandels und den damit verbundenen Veränderungen des globalen Kohlenstoffhaushaltes. In vielen Fällen wird der Permafrost zukünftig auftauen und dadurch vermehrt Kohlendioxid oder Methan freisetzen. Schon jetzt ist die Temperaturerhöhung in der kanadischen Arktis dramatisch, wobei die größten klimarelevanten Veränderungen der Böden nicht so sehr die Hocharktis sondern vor allem die Niedere Arktis und die Subarktis betreffen, wo viele Flächen vernässen werden. Das dann vermehrt gebildete Methan hat einen wesentlich stärkeren Einfluss auf das Klima als Kohlendioxid.

Um die Veränderungen der Böden und der Vegetation an Permafrost-Standorten zu dokumentieren, haben Wissenschaftler in den vergangenen Jahren in der Arktis viele Monitoringflächen angelegt. Regelmäßig werden dort die Veränderungen wie die Mächtigkeit der Auftauschicht gemessen. Der inzwischen eingesetzte Klimawandel hat auch zu einer stärkeren Erforschung der Cryosols beigetragen. Bislang wurden diese Böden häufig vernachlässigt, da die meisten Gebiete, in denen sie auftreten, unbewohnt sind. In einer Arbeitsgruppe, der International Cryosol Working Group der IPA (International Permafrost Association) und der IUSS (International Union of Soil Science), befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem aus Russland, Canada und den USA aber auch aus Deutschland mit diesen Böden, um Voraussagen über ihre Veränderungen und damit Wechselwirkungen mit dem Klima machen zu können.

Quellen:

Kimble J.M. (ed.), 2004: Cryosols. Permafrost-Affected Soils, Springer, Berlin

Tarnocai C., Kimble J. & Broll G., 2003: Determining carbon stocks in Cryosols using the Northern and Mid Latitudes Soil Database, In: Phillips M., Springman S. & Arenson L.U. (eds.): Permafrost, Vol. 2, Lisse: 1129-1134.

(Gabriele Broll / ISPA Universität Vechta, 17.02.2006 – AHe)

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