Medizin

Die Niere in 3D?

Neuer Atlas soll Wissen über Organentwicklung und –erkrankungen bündeln

Einen neuen dreidimensionalen „Atlas der Niere“ will in den nächsten Jahren ein internationales Forscher-Team erstellen. In ihm sollen die neuesten Erkenntnisse über die Entwicklung des Organs und die Entstehung von Nierenerkrankungen zusammengefasst werden. Die Forscher werden vor allem Schlüsselgene kartieren, die bei diesen Vorgängen eine maßgebliche Rolle spielen.

Ziel ist es die Diagnose und Therapie von Nierenkrankheiten zu verbessern und die Behandlungskosten in Milliardenhöhe zu senken. Der Atlas ist Teil eines von der Europäischen Union (EU) mit über zehn Millionen Euro geförderten Forschungsprojekts „European Renal Genome Project“ (EuReGene).

„Die Niere ist ein Paradeorgan für solch einen Atlas“, sagte Professor Thomas Willnow, Koordinator des EU-Projekts vom Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC). „Sie besteht aus rund 20 verschiedene Zellarten. Die Funktion jeder einzelnen dieser Zellarten ist genau bekannt. Das gibt es für kein anderes Organ“, betonte er. An der Karte, die auf dem Humanen Genomprojekt aufbaut, arbeiten Pathologen, Entwicklungs- und Molekularbiologen sowie Genetiker. Sie wird auch große Bedeutung für die Erforschung von Stoffwechselstörungen haben, die zu Nierenschäden führen, wie etwa Diabetes, ist Willnow überzeugt.

Unter Federführung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch sind am Projekt insgesamt 18 Forschungsgruppen von außeruniversitären Einrichtungen, Universitäten sowie sechs Universitätskliniken in neun europäischen Ländern beteiligt.

4,5 Millionen Nierenkranke in Europa

In Europa gibt es etwa 4,5 Millionen Nierenkranke. Betroffen sind vor allem ältere Menschen, bei denen die Erkrankung häufig die Folge von Bluthochdruck und Diabetes ist, aber auch Kinder, die vielfach bereits mit einer Nierenschädigung zur Welt kommen. Die Zahl der Nierenpatienten steigt, insbesondere bei Patienten mit Diabetes Typ 2. Nierenschäden selbst lösen Bluthochdruck aus und können zu Herzversagen, Blutarmut sowie Knochenerkrankungen oder gar zu Nierenversagen führen. Mit einer Blutwäsche (Dialyse) können Patienten, deren Nieren nicht mehr arbeiten, eine gewisse Zeit überleben, bis ein Spenderorgan zur Verfügung steht. Doch wegen der zu geringen Zahl an Spendernieren muss ein Patient heute im Durchschnitt 40 Monate auf eine Transplantation warten.

In Europa gibt es rund 225 000 Dialysepatienten, in Deutschland (Stand: 31.12. 2004) allein 60 992. Im Jahre 2004 standen in Deutschland 9 270 von ihnen auf der Warteliste, nur 2 478 erhielten eine Nierentransplantation. Die Zahl der neu zur Transplantation gemeldeten Patienten ist höher als die Zahl der transplantierten Patienten. Für viele Dialysepatienten ist die Wartezeit zu lang. 2004 starben in Deutschland 10.975. Das heißt, jedes Jahr sterben etwa 20 Prozent der Dialysepatienten, weil sie keine Spenderniere bekommen können.

(idw – Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), 08.02.2006 – DLO)

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