Der erst im Sommer 2005 entdeckte neue Himmelskörper UB313 oder „Xena“ ist größer als der bisherige Außenposten unseres Sonnensystems, der Planet Pluto. Dies belegen jetzt Beobachtungen Bonner Astrophysiker. Die Forscher maßen die thermische Strahlung von Xena und ermittelten dabei einen Durchmesser von rund 3.000 Kilometern. Xena ist damit nicht nur das entfernteste jemals im Sonnensystem gefundene Objekt, sondern auch rund 700 Kilometer dicker als Pluto. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch Xena den Rang eines Planeten erhält. Er wäre der zehnte in unserem Sonnensystem. Die Wissenschaftler berichten über ihre neuen Erkenntnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature.
Wie Pluto ist auch „Xena“ eines der eisigen Objekte des so genannten Kuiper-Gürtels, die jenseits von Neptun um die Sonne kreisen. Der Himmelskörper benötigt rund 560 Erdenjahren, um einmal die Sonne zu umkreisen. Die Entfernung zu unserem Heimatplaneten beträgt 14,5 Milliarden Kilometer.
Seine stark exzentrische Umlaufbahn bringt es 97 mal so weit von der Sonne wie die Erde und fast zweimal weiter als der entfernteste Punkt in Plutos Orbit. UB313 braucht doppelt so lange wie Pluto, um die Sonne zu umkreisen. Nach seiner Entdeckung im Jahr 2005 ließ die optische Helligkeit darauf schließen, das UB313 mindestens genau so groß wie Pluto ist. Eine genaue Größenbestimmung war bislang jedoch nicht möglich, da das Reflektionsvermögen dieses Kleinplaneten nicht bekannt war.
Größe legt Planetenstatus nahe
Einem Astronomenteam der Universität Bonn und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie (MPIfR) um Professor Frank Bertoldi sowie Wilhelm Altenhoff ist es nun gelungen, dieses Problem zu lösen. Durch die kombinierte Messung der von UB313 abgestrahlten Wärmeleistung sowie seiner optischen Helligkeit gelang es den Wissenschaftlern, seine Reflektivität und Größe zu bestimmen. „Da UB313 deutlich größer ist als Pluto“, gibt Frank Bertoldi zu bedenken, „wird es zunehmend schwieriger, Pluto einen Planeten zu nennen, aber UB313 diesen Status zu verwehren.“
UB313 wurde im Januar 2005 von Mike Brown und seinen Kollegen am California Institute for Technology, USA, entdeckt, die gezielt mit einer großen Digitalkamera am Samuel-Oschin-Teleskop nach entfernten Kleinplaneten gesucht hatten. Sie entdeckten in ihren Aufnahmen ein sich langsam bewegendes, punktförmiges Objekt. Dessen Geschwindigkeit erlaubte den Wissenschaftlern, seine Distanz und Orbitparameter zu bestimmen. Die Größe des neu entdeckten Kleinplaneten konnten sie jedoch nicht bestimmen, obwohl die optische Helligkeit nahe legte, dass UB313 mindestens so groß wie Pluto sein müsste.
Erstmals 1992 gelang es Astronomen, einen Kleinplaneten jenseits von Neptun und Pluto zu finden und damit eine damals fast 40-jährige Vorhersage der Astronomen Kenneth Edgeworth (1880-1972) und Gerard P. Kuiper (1905-1973) zu bestätigen, die einen Gürtel von kleinen Planeten oder Gesteinsbrocken jenseits von Neptun vermutet hatten. Dieser so genannte Kuiper-Gürtel besteht aus Objekten, die aus der Entstehung des Sonnensystems vor 4,5 Milliarden Jahren übriggeblieben sind. In ihren entfernten Umlaufbahnen blieben sie vom Säuberungseffekt der Großplaneten verschont, die ähnlich kleine Brocken aus dem inneren Sonnensystem verdrängt haben. Einige Objekte des Kuiper-Gürtels werden auch heute noch durch die Gravitationskraft von Neptun aus ihren entfernten Bahnen geworfen und besuchen zum Beispiel als Kometen das innere Sonnensystem.
Wärmestrahlung verrät Größe
Im optischen Licht sehen wir die Objekte des Sonnensystems durch das von ihnen reflektierte Sonnenlicht. Ihre scheinbare Helligkeit hängt daher sowohl von ihrer Größe als auch vom Reflektionsvermögen ihrer Oberfläche ab. Letztere kann zwischen einigen Prozent und über 50 Prozent variieren, was eine genaue Größenbestimmung allein aus der optischen Helligkeit unmöglich macht.
Die Bonner Wissenschaftler benutzten deshalb die wärmeempfindliche Bolometer-Kamera „MAMBO-2“ am 30-Meter Radioteleskop von IRAM (Institut de Radio Astronomie Millimétrique) in Spanien, die vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie entwickelt und installiert wurde, um die Wärmestrahlung von UB313 zu messen. Denn bei einer Wellenlänge von 1,2 Millimetern ist die reflektierte Sonnenstrahlung vernachlässigbar und die Helligkeit hängt nur noch von der Größe und Oberflächentemperatur des Objekts ab. Die Temperatur kann man gut aus der Distanz zur Sonne abschätzen, sodass man die Objektgröße und das optische Reflexionsvermögen aus der von MAMBO gemessenen Helligkeit bestimmen kann. Zudem können die Forscher daraus schließen, dass die Oberfläche von UB313 ca. 60 Prozent der einfallenden Sonnenstrahlung reflektiert, was vergleichbar mit Pluto’s Reflektionsvermögen ist.
„Es ist sehr aufregend, dass dieses Objekt im Sonnensystem größer ist als Pluto“, freut sich Altenhoff, der seit Jahrzehnten am Max-Planck-Institut für Radioastronomie Kleinplaneten und Kometen erforscht. „Es beweist, dass Pluto, der ja eigentlich auch als Kuiper-Gürtel-Objekt gelten muss, kein so außergewöhnliches Objekt ist. Vielleicht gelingt es uns, noch weitere solch große Objekte zu finden, die uns dann Aufschlüsse über die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems erlauben. Die Kuiper-Gürtel-Objekte sind Überbleibsel, eine Art archäologische Grabstätte von urtümlichen Resten aus der Entstehungszeit von Sonne und Planeten.“
(MPG, 02.02.2006 – DLO)