Ernährung

Knabbern für die Wissenschaft

Müsliriegel mit Topinambur kann die Darmflora fit halten

Topinambur-Knollen © Universität Hamburg

Schon die Indianer wussten Topinambur auf ihrem Speiseplan zu schätzen. Jetzt haben Wissenschaftler untersucht, ob und wie mit Topinambur angereicherte Müsliriegel die Darmflora gesund erhalten und möglicherweise sogar verbessern können.

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Inulin als wichtigstes Plus

Topinambur (Helianthus tuberosis) ist eine ursprünglich indianische Kulturpflanze, deren Knollen und Saftkonzentrate zunehmend in der Lebensmittelindustrie, insbesondere auch bei der Backwarenherstellung verwendet werden. Der medizinisch interessanteste Bestandteil der Trockenmasse von Topinambur ist das Kohlenhydrat Inulin, nicht mit dem Hormon Insulin zu verwechseln.

Inulin ist ein Gemisch verschiedener Fructoseketten (also von Fruchtzuckern) mit Kettenlängen bis zu 60 Zuckereinheiten, die durch ihren besonderen Aufbau im oberen Teil des Verdauungstraktes nahezu unantastbar sind. Im unteren Teil allerdings, also von den Bakterien des Dickdarmes, kann das bis dahin unverdaute Inulin vollständig zu kurzkettigen Fettsäuren (und Gasen) fermentiert werden, beispielsweise von den dort heimischen „Milchsäurebakterien“ wie Bifidobakterien und Laktobazillen.

Dieser finale Verdauungsakt ist gesundheitsfördernd, denn durch den Stoffwechsel einer intakten Darmflora wird deren pH-Wert gesenkt. Das bietet schädigenden Bakterien schlechtere Lebensbedingungen. Unverdauliche, im Dickdarm fermentierbare Zucker scheinen auch die Aufnahme von Mineralstoffen wie Kalzium, Magnesium und Eisen zu steigern. Dies beugt besonders Osteoporose vor. Neben Topinambur sind auch andere Pflanzen Lieferant von Inulin; Zwiebel, Weizen und Spargel zum Beispiel. Um es Lebensmitteln zuzusetzen, wird es bisher hauptsächlich aus der Zichorie (Chicoree) gewonnen.

Müsliriegel im Test

Dies war schon bekannt, bevor die Leipziger Wissenschaftler ihre Studie zum „Einfluss von Inulin in kommerziell erhältlichen Backprodukten auf die Stuhl-Mikrobiota von gesunden Freiwilligen“ begannen. „Bei unserer Studie ging es also nicht mehr darum, die generelle Wirksamkeit von Inulin zu belegen“, erläutert Prof. Dr. Monika Krüger, die das Institut für Bakteriologie und Mykologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität leitet.

„Unsere Arbeit sollte die Frage beantworten, welche biologische Wirkung Topinambur, das neben Inulin auch wertvolle Mineralstoffe und Vitamine enthält, nach einem Backprozess noch aufweist. Auftraggeber dieser Studie war das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, an das die Dresdener Firma Dr. Quendt Backwaren GmbH herangetreten war. Dieser mittelständische Betrieb stellt nämlich Müsliriegel her, die Topinambur enthalten, und wollte die Wirksamkeit dieses präbiotischen Nahrungsmittelzusatzes beweisen lassen.“

Schweine im Dienst der Wissenschaft

Doch noch wurde von den 45 künftigen Tierärzten, die sich zum Testessen bereit erklärt hatten, kein Riegel verspeist. Alles begann im Labor, wo das Wirken von Topinambur-Inulin zunächst im Kulturröhrchen mit einer künstlich erzeugten Darmflora geprüft und mit dem von Inulin anderer Herkunft verglichen wurde. Dann traten erst einmal halbwüchsige Schweine in den Dienst der Wissenschaft. In der Phase, da sie von Muttermilch auf anderes Futter umgestellt wurden und ihre Darmflora ohnehin unter Stress stand, bekamen einige von ihnen Topinambur ins Futter, andere nicht.

Wie zu erwarten, spielte sich bei den Topinambur-Konsumenten die neue Darmflora schneller ein. Aber nicht nur die im Labor untersuchten Kotproben zeugten von der positiven Wirkung des Topinambur. Die durch den zusätzlichen Stoff privilegierten Borstentiere machten laut Verterinärmedizinern generell einen besseren Eindruck und gewannen schneller an Statur.

Vermehrung nützlicher Bakterien

„Zur dritten Etappe des Versuchs traten also besagte 45 Studenten an“, erläutert die für die Studie verantwortliche Mikrobiologin Dr. Brigitta Kleeßen. „Nachdem die Testpersonen einige Tage möglichst keine inulin-haltigen Lebensmittel gegessen hatten, gaben sie ihre Ausgangs-Stuhlprobe ab. Es folgte eine Woche, in der sie nur einen Riegel pro Tag knabberten, dann zwei Wochen mit je zwei Riegeln.

Mehrmalige Stuhlproben wurden abgeliefert und Fragebögen zur Verdauung beziehungsweise zu Befindlichkeiten ausgefüllt. Allerdings waren für eine der drei 15-köpfigen Gruppen in Dresden spezielle Placebo-Riegel ohne Inulinquellen gebacken worden. Während der ersten Vorstellung der Studienergebnisse Anfang Februar werden wir die Probanten ins Bild setzen, ob und wie sich das Innenleben ihres Darmes während der drei Testwochen veränderte. Belegt ist auf jeden Fall: Bei den beiden Gruppen mit Inulin in den Riegeln, vermehrte sich die Anzahl der nützlichen Bakterien im Dickdarm nachweisbar.“

Das dürfte die Produktentwickler bei Dr. Quendt in Dresden ebenso freuen, wie den in Brandenburg beheimateten Topinambur-Lieferanten. „Ich sehe in diesem Ergebnis auch eine Ermutigung für einheimische Bauern, über diese Nische nachzudenken“, ergänzt Krüger. Inwieweit die Nutzung von Topinambur über die menschliche Ernährung hinaus auch für das Tierfutter Standart werden wird, ist angesichts der vergleichsweise hohen Preise noch nicht genau zu sagen.

„Möglicherweise wird es nicht für die Tierproduktion interessant, aber für die Therapie kostbarer Zoo- und Heimtiere“, so Krüger. „Nutztiere würden dann dennoch profitieren, indem im Prozess der Verarbeitung von Topinambur der Trester, also die groben Bestandteile der Pflanzen, für sie übrig bleibt.“

(Universität Leipzig, 01.02.2006 – NPO)

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