Mikrobiologie

Bakterien als “magnetische Abweichler”

Mikroben widersprechen gängiger Theorie der Magnetotaxis

Kryo-Elektronentomographie eines Magnetbakteriums: Dreidimensionale Rekonstruktion des Zellinneren von Magnetospirillum gryphiswaldense. Die Zellmembran ist blau, die Magnetosomenkristalle rot und die umgebenden Vesikel gelb dargestellt. Die Ansicht verdeutlicht, dass sowohl die leeren Membranvesikel als auch die "reifen" Magnetosomen wie Perlen auf einer Schnur entlang einer filamentösen Struktur (grün) aufgereiht sind, die einem Zellskelett ähnelt. © MPI für für Biochemie

Es gibt Bakterien, die sich mithilfe eines eingebauten Kompass – winzigen Eisenmineralen – nach dem Magnetfeld der Erde ausrichten können. Normalerweise schwimmen die Mikroben der nördlichen Halbkugel dabei nach Norden, die der südlichen nach Süden. Doch jetzt haben Wissenschaftler magnetische „Abweichler“ entdeckt: Bakterien, die sich genau umgekehrt verhalten, und berichten darüber im Magazin „Science“.

Magnetotaktische Bakterien konzentrieren große Mengen Eisen innerhalb ihrer Zellen. Setzt man diese marinen Einzeller im Labor zu hohen oder zu niedrigen Sauerstoffkonzentrationen aus, regt sie dies dazu an, sich in Richtung des jeweils näher gelegenen geomagnetischen Pols zu bewegen und nach für sie optimalen Bedingungen zu suchen. In der Regel führt sie dies gleichzeitig in der Wassersäule abwärts, hinab in Regionen, in denen das von ihnen bevorzugte Sauerstoffmilieu herrscht. Doch nicht so ein Bakterienstamm, den Forscher jetzt in Neuengland entdeckten:

Wissenschaftler der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) und der Iowa State University untersuchten Mikroorganismen in einem lokalen Meeerestümpel in Falmouth, Massachusetts, als sie auf das wegen seines Aussehens „Hantel“ getauften Bakterium stießen. Im Labor untersuchten sie die Einzeller näher und stellten zu ihrer Überraschung fest, dass es sich in Richtung des geomagnetischen Südens bewegte – völlig im Gegensatz zu allen bisher beobachteten Verhaltensweisen der bekannten magnetotaktischen Bakterien. Im gleichen Tümpel entdeckten die Forscher auch ein weiteres „Irrläufer“-Bakterium sowie Mikroben, die in beide Magnetrichtungen strebten.

Dieses Verhalten widerspricht deutlich dem zurzeit gängigen Erklärungsmodell der Magnetotaxis. Nach Ansicht von Sheri Simmons, Hauptautorin der Studie und ihre Kollegen Dennis Bazylinski und Katrina Edwards deuten die neuen Ergebnisse darauf hin, dass möglicherweise neue Modelle benötigt werden, um zu erklären, wie sich diese neue entdeckten magnetotaktischen Bakterien in ihrer Umwelt bewegen.

Die Forscher geben allerdings zu bedenken, dass sie das Verhalten der Einzeller im Labor untersucht haben und sich die Orientierung im Freiland möglicherweise davon unterscheiden könnte. „Nur wenige Arten von magnetotaktischen Bakterien sind bisher im Labor kultiviert worden“, erklärt Simmons. „Wir müssen weitere Methoden entwickeln, um das zu tun, da wir ihr Verhalten nicht direkt in ihrer Umwelt beobachten können. Wir sind auch daran interessiert, zu erfahren, wie viel Eisen diese Bakterien in der Natur speichern. Was ist ihre Verteilung und Häufigkeit und wie beeinflusst das die Chemie ihrer Umwelt?“

(Woods Hole Oceanographic Institution, 24.01.2006 – NPO)

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