Fleischfressende Pflanzen sind hoch spezialisiert: Mithilfe spezieller Fangorgane fangen und verdauen sie kleine Tiere, meist Insekten, um Nährstoffe, wie Stickstoff und Phosphor, zu gewinnen, die im Boden fehlen.Jetzt haben Forscher herausgefunden, dass Kannenpflanzen dies mithilfe eines raffnierten Zweischicht-Systems erreichen. Aus diesen Erkenntnisse ergeben sich auch Hinweise für die Entwicklung von neuen Materialien beispielsweise für Antihaftfolien.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung und der Universität Hohenheim untesuchten fleischfressende Kannenpflanzen. Morphologie und Fangmechanismen der Fallen variieren zwischen den verschiedenen Arten.Die Gleitfallen der tropischen Kannenpflanze Nepenthes gehören zu den passiven Fallen. Sie bewegen sich nicht, um Tiere zu fangen.
Obwohl die Ursprünge der Kannen wie auch anderer Fallen carnivorer Pflanzen in den Blattorganen liegen, sind es doch sehr Blatt-untypische Strukturen, die von den Blättern herabhängen. Nepenthes-Kannen besitzen eine komplexe Organisation mit Deckel, Peristom (Kannenrand) sowie einer Gleit- und einer Verdauungszone mit einem Vorrat an Verdauungsflüssigkeit. Mit diesen Kannen werden Insekten angelockt, festgehalten und schließlich verdaut.
Die Gleitzone hat eine Schlüsselrolle beim erfolgreichen Fallenstellen. Dieser Bereich ist von einer Schicht kristalliner Wachse bedeckt, auf der die Insekten den Halt verlieren und in die Verdauungsflüssigkeit hinab rutschen. Bei bisherigen Studien hat man sich entweder mit der Wachsstruktur oder dem Insektenverhalten in der Falle befasst.
Wirksam dank Zweischicht-System
Die Forscher haben deshalb die Mikromorphologie, chemische Zusammensetzung und mechanischen Eigenschaften der Wachse untersucht und mit Experimenten zum Insektenverhalten kombiniert. Danach besteht diese Wachsbedeckung aus zwei übereinanderliegenden Schichten, die sich in ihrer Struktur, chemischen Komposition, Härte und Elastizität unterscheiden. Diese Wachsschichten reduzieren die Haftkraft der Insekten auf zwei ganz unterschiedlichen Wegen.
Die obere Wachsschicht besteht aus einzelnen unregelmäßigen 30-50 Nanometer dicken Plättchen, die sich mehr oder weniger senkrecht zur anderen Schicht und zur Oberfläche der Kannenwand anordnen. Ihre Orientierung ist eher zufällig; die Plättchen bilden keine klaren Muster. Die Kristalle bestehen aus vielen kleinen, parallel zueinander ausgerichteten Schichten und besitzen einen kleinen „Stiel“, der sich in derselben Ebene wie das Kristallplättchen befindet.
Die untere Schicht ähnelt einem Schaumstoff. Sie besteht aus miteinander verbundenen Membranplättchen, die in spitzem Winkel aus der Oberfläche herausragen und keine klare Ausrichtung zeigen. Härte und Elastizität beider Schichten unterscheiden sich um mehr als eine Größenordnung: Die obere Wachsschicht ist viel weicher und geschmeidiger als die untere Schicht.
In Laborexperimenten mit der Käfern der Art Adalia bipunctata zeigte sich, dass die Wachsschichten – im Vergleich zu Glas beziehungsweise der entwachsten Kannenwand als Referenzoberflächen – die Haftkraft der Insekten signifikant verringerten. Während durch die obere Schicht die Insektenfüße verschmutzt und damit weniger haftfähig werden, reduziert die untere Schicht die Fläche, über die die Füße mit der Falle Kontakt haben.
(MPG, 13.01.2006 – NPO)