Physik

Wasserstoffmolekül gibt quantenmechanische Geheimnisse preis

Erstmals komplette Kalkulation der Elektronenkorrelationen in einem Wasserstoffmolekül gelungen

Photon trifft Wasserstoffmolekül © Wim Vanroose / LBL

In der Welt der kleinsten Teilchen ist noch vieles in Rätsel gehüllt. So auch die genauen Positionen und Bewegungen der Elektronen und Protonen in einem so einfachen Molekül wie dem Wasserstoffmolekül H2. Jetzt haben Wissenschaftler anhand dieser Verbindung zum ersten Mal eine quantenmechanische Lösung für eine Verbindung von vier geladenen Teilchen ermittelt – indem sie das Molekül mit Photonen bombardierten. Ihre Ergebnisse berichten sie in der Zeitschrift Science.

Wenn ein Wasserstoffmolekül, H2, so von einem Photon getroffen wird, dass dessen Energie die beiden Elektronen des Wasserstoffs davonschleudert, bleiben nur die beiden Wasserstoffkerne übrig. Diese jedoch, der ausgleichenden Wirkung der Elektronen beraubt, stoßen sich gegenseitig ab. Aus dem Weg, den die beiden weggeschleuderten Elektronen nach dieser so genannten doppelten Photoionisierung nehmen, können Wissenschaftler auf den Abstand und die Lage der einzelnen Molekülbausteine schließen.

Vier-Teilchen-Lösung gefunden

Sowohl in der klassischen Physik als auch in der Quantenmechanik gelten Positionen und Bewegungsenergie eines Teilchens als nicht exakt und voneinander unabhängig kalkulierbar. Wenn gar drei oder mehr Teilchen involviert sind, stießen die Forscher bisher vollends an ihre Grenzen. Dennoch ist es jetzt einem Forscherteam der Universität von Kalifornien in Davis, dem Lawrence Berkeley National Laboratory (LBL) sowie Wissenschaftlern der Katholischen Universität Leuven in Belgien und der Autonomen Universität von Madrid gelungen, sogar eine Vier-Teilchen-Lösung zu finden – für die beiden Protonen und die beiden Elektronen des Wasserstoffmoleküls.

Den Anstoß gaben Experimente zur Photofragmentation des „Schweren Wassers“ Deuterium, die Thorsten Weber von der Universität Frankfurt gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam am Lawrence Berkeley Lab im Jahr 2003 durchführte und die nun mit einem Wasserstoffmolekül wiederholt wurden. „Was dieses Experiment so besonders machte, war die Tatsache, dass sie messen konnten, was dabei mit allen vier Teilchen passierte“, erklärt Thomas Rescigno vom LBL. „Aus deren präzisen Positionen und der Energie konnten sie rekonstruieren, in welchem Zustand sich das Molekül befand, bevor es getroffen wurde.“

“Es zeigte sich, dass sehr kleine Unterschiede im Abstand zwischen den beiden Atomkernen im Moment der Photonenabsorption radikale Unterschiede in der Art auslöste, wie die beiden Elektronen ausgeschleudert wurden“, so Rescigno. Aber spiegelten diese Unterschiede wirklich die Korrelationen – die Verhältnisse der Teilchen untereinander im Molekül wieder? Oder handelte es sich dabei möglicherweise doch nur um kinematische Effekte, bei denen ein Teil der Energie aus der Abstoßungsreaktion der beiden Protonen stammte und damit das Ergebnis verfälschte?

Computersimulationen ergänzen Experimente

Diese entscheidende Frage konnten die experimentellen Befunde allein nicht beantworten, daher griffen die Wissenschaftler auf Computermodelle zurück. Mit deren Hilfe reproduzierten die Forscher die Experimente am Computer und variierten dabei die Energie der einschießenden Photonen, um herauszufinden, welche Rolle die kinetische Energie für das Flugmuster der Elektronen spielte.

Es zeigte sich, dass die Bahn der herausgeschleuderten Elektronen nicht von der kinetische Energie abhängig, sondern tatsächlich, wie zuvor bereits erhofft und angenommen, vom Abstand der Atomkerne untereinander und dem Einfluss, die dieser auf die Orbitale der sie umgebenden Elektronen hat.

Für Fernando Martín, Professor für Chemie an der Universidad Autónoma de Madrid, ist die auf diesen Simulationen basierende komplette numerische Lösung der Schrödinger-Gleichung für die Photoionisation des Wasserstoffmoleküls „erst der Anfang“. „Das Erforschen der komplizierten Physik der Elektronenkorrelationen wird den Weg für umfassender Methoden bereiten, die Theorie und Experiment kombinieren, um einige der dringendsten Probleme in der Chemie anzugehen“, so der Forscher. Für seinen Kollegen Rescigno, haben die letzten Ergebnisse das, was als abgehobene physikalische Theorie begann, jetzt mit den Nieten und Schrauben des praktischen Experimentes verbunden.

(Lawrence Berkeley National Laboratory, 20.12.2005 – NPO)

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