Nordsee, Südsee oder Ostsee sind alte Bekannte auf der Landkarte. Ihre Namen erhielten sie im Goldenen Zeitalter der Seefahrer, als die Europäer im Mittelalter anfingen, die Weltmeere zu erkunden. Doch gibt es neben den genannten Himmelsrichtungspatenschaften eigentlich auch eine Westsee?
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Rein sprachlich gesehen stammen die Namen Nord-, Ost- und Südsee aus dem Mittelhochdeutschen. Sie spiegeln alle den geographischen Bezug zwischen den norddeutschen Hansestädten und den benannten Meeren wider. Im Mittelalter glaubte man, dass die Ostsee Richtung Osten offen sei. Für die Nordsee nahm man an, sie sei nach Norden offen, denn den Weg nach Westen versperrte ja Großbritannien. Ähnlich vage Annahmen definierten auch die Südsee, die man damals hauptsächlich aus Erzählungen kannte. Heute ist die Südsee für uns der Inbegriff von Wärme, türkisblauem Wasser und Palmen bestandenen Inseln – und liegt im südlichen Pazifik. Namen wie Tonga, Fidschi und Samoa locken die Touristen zu Hauf.
Trotz der wenigen ihnen zur Verfügung stehenden Informationen stachen die Segler unerschrocken in See und lernten immer mehr über die Meere in aller Welt. „De Westsee is us wohlbekannt. Dahin wöll´n wi nu fahren.“ So heißt es im Störtebecker-Lied über die Kaperzüge des wohl bekanntesten Piraten seiner Zeit. Denn Ende des 14. Jahrhunderts verlegte der Freibeuter seinen Hauptsitz von der Ostsee nach Westen. Westsee hieß bei den Friesen die See im Westen Schleswig-Holsteins. Logisch, denn damals waren die Namen noch nicht einheitlich festgelegt, viele Meere und Orte hatten mehrere Namen – und welcher Name letztendlich benutzt wurde, hing viel von dem ab, der den Ort benannte.
Einheitliche Benennung
Erst als die Monopolstellung der Hanse in allen nautischen Dingen immer deutlicher wurde, setzte sich der Name Nordsee durch. Einheitliche Seekarten gab es aber auch dann noch nicht. Auch wenn die ältesten Seekarten im heutigen Sinne schon aus dem 13. Jahrhundert stammen, so waren doch auch während der Blütezeit der Hanse die meisten Segelanweisungen mehr Beschreibungen als Karten. Sie enthielten alle notwendigen Informationen über Leuchttürme, Strömungen und Hafenverhältnisse. Daher auch ihr ursprünglicher Name Portolan vom lateinischen Portus = Hafen abgeleitet. Erst im 16. Jahrhundert umfasste der Begriff neben dem Text routinemäßig auch die begleitenden Karten. Auch heute noch gibt es solche Hafenhandbücher, die sowohl dem Lotsen des großen Tankschiffes wie auch dem Freizeitskipper wertvolle Informationen geben.
Es wundert übrigens nicht, dass unsere Nordsee im Dänischen auch heute noch „Vesterhavet“, also Westsee heißt. Auch die Esten haben eine Westsee, unsere Ostsee nämlich. Schließlich kommt es immer darauf an, wo man steht, wenn man etwas beim Namen nennt.
(GeoUnion/Forschungszentrum Ozeanränder, 12.12.2005 – Kirsten Achenbach/AHE)