Klima

Wie stabil ist der Golfstrom?

Neue Studie untersucht Auswirkungen von Süßwassereintrag systematisch

Wie viel Süßwasser muss beispielsweise durch das Abschmelzen des Grönlandeises in den Atlantik fließen, damit der für das Klima in Europa wichtige Teil des Golfstroms zum Erliegen kommt? Dies hat jetzt ein internationales Forscherteam im Rahmen einer umfangreichen Vergleichsstudie zu Klimamodellen untersucht. Ergebnis: ab einem bestimmten Schwellenwert bricht die so genannte thermohaline Zirkulation des Atlantiks zusammen. Darin waren sich alle Modelle „einig“.

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Unsicher ist nach Ansicht der Forscher aber immer noch, wie weit das gegenwärtige Klima von diesem Schwellenwert entfernt ist. Daher ist es schwierig, das Risiko zukünftiger Veränderungen der Meeresströme zu abzuschätzen.

Die Möglichkeit von Veränderungen in den Meeresströmen ist wieder ins Rampenlicht gerückt, als britische Forscher Anfang Dezember im Wissenschaftsmagazin Nature von einer gemessenen Abschwächung der atlantischen Tiefenströmung um 30 Prozent berichteten. Wissenschaftler arbeiten seit Jahren daran, die Mechanismen von Meeresströmungs-Änderungen genauer zu verstehen und die Risiken für die Zukunft einzuschätzen. In der Klimageschichte sind viele plötzliche Veränderungen der Meeresströmungen aufgetreten, besonders in der letzten Eiszeit.

Klimaforscher wissen auch, dass sich Meeresströmungen durch die Abnahme des Salzgehalts des Meerwassers aufgrund von Süßwassereinträgen durch Regen, Flüsse und Schmelzwasser ändern können. Ein Trend abnehmenden Salzgehalts wird, so haben Studien ergeben, im nördlichen Atlantik in den letzten Jahrzehnten beobachtet.

“Gratis-Heizung“ vor dem Aus?

Die neue Studie von Forschern aus neun Klimaforschungseinrichtungen in sieben Ländern untersuchte nun die Wirkung von Süßwassereintrag systematisch: In allen Modellen wurde dem Nordatlantik eine sich langsam erhöhende Menge an Süßwasser zugegeben und die Reaktion der Meeresströmung und des Klimas analysiert.

Alle elf verwendeten Modelle stimmten in einem Punkt überein: Wenn genügend Süßwasser zugeführt wird, bricht die so genannte thermohaline Zirkulation des Atlantik zusammen. Diese Zirkulation bildet einen Teil des Golfstroms und trägt dazu bei, dass es in Europa wesentlich wärmer ist als ohne diese „Gratis-Heizung“.

Wie viel Süßwasser ist nötig?

„Die entscheidende Frage ist: wie viel Süßwasser ist nötig, um diese Strömung zu stoppen?“ sagt Stefan Rahmstorf, Professor für Physik der Ozeane an der Universität Potsdam und Initiator der Studie. „Wir haben ein standardisiertes Experiment entwickelt, um die Reaktion unterschiedlicher Klimamodelle miteinander zu vergleichen.“

In einigen Modellen reichten im langjährigen Mittel bereits weniger als 0,1 Millionen Kubikmeter pro Sekunde, während die stabilsten Modelle fünfmal soviel benötigten, bis die Strömung zum Erliegen kam. Die Mehrzahl der Modelle benötigte Mengen nahe 0,2 Millionen Kubikmeter pro Sekunde. Zum Vergleich: Würde das grönländische Inlandeis über einen Zeitraum von 1.000 Jahren abschmelzen (was einige Glaziologen als mögliches Ergebnis einer durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung sehen), würde dies allein zu einem durchschnittlichen Süßwassereintrag von 0,1 Millionen Kubikmeter pro Sekunde in den Atlantik führen.

Unfall im Klimasystem

Zwar ist es für die meisten Experten eher unwahrscheinlich, dass die globale Erwärmung zu einer gravierenden Änderung der Meeresströmung führen würde, wegen der schwerwiegenden Folgen ist das Risiko aber dennoch ernst zu nehmen. „Wir sprechen hier von einer Art Unfall im Klimasystem“, sagt Rahmstorf. „Wegen der kaum kalkulierbaren, möglicherweise schwerwiegenden Folgen sollten wir das Risiko auf ein Minimum begrenzen“.

Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Geophysical Research Letters berichten, trägt die Studie dazu bei, Modellunterschieden auf den Grund zu gehen und verbesserte Modelle mit geringerer Unsicherheit zu entwickeln. Sie ist eine von mehreren internationalen Vergleichsstudien, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Stabilität von Meeresströmungen beschäftigen. Ziel ist, der Gesellschaft eine bessere Grundlage zu bieten, um die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken abschätzen zu können.

(Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), 06.12.2005 – DLO)

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